PRESSEANFRAGEN ZU VERTEIDIGERNAMEN IM SPANNUNGSFELD VON INFORMATIONSINTERESSE, PERSÖNLICHKEITSRECHT UND MANDATSGEHEIMNIS RECHTSANWALT DR. TILL DUNCKEL UND RECHTSANWALT PROF. DR. CHRISTOPH KNAUER* * Der Autor Dunckel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Hamburg und Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Medienrecht. Der Autor Knauer ist Rechtsanwalt in München und Honorarprofessor für Wirtschaftsstrafrecht und strafrechtliche Revision an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zudem ist er Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Strafprozessrecht und Mitglied der BRAK-Arbeitsgemeinschaft Sicherung des Rechtsstaates sowie Vorsitzender des Beirates der BRAK-Mitteilungen. Dürfen Gerichte und Staatsanwaltschaften die Namen und Kanzleianschriften von Strafverteidigern in laufenden Ermittlungsverfahren gegenüber Medien offenlegen? Die Frage betrifft ein komplexes Spannungsfeld zwischen dem Informationsinteresse der Medien, dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der von den Ermittlungen betroffenen Personen und dem Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Strafverteidiger. In zwei aktuellen Entscheidungen gewichten das Oberverwaltungsgericht Hamburg und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Interessen sehr unterschiedlich. Die Autoren gehen den damit aufgeworfenen grundlegenden Fragen zur Reichweite presserechtlicher Auskunftsansprüche gegenüber Strafverfolgungsbehörden nach. I. SACHVERHALT UND ENTSCHEIDUNGSINHALTE Presseanfragen zu laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren betreffen ein grundrechtssensibles Spannungsfeld zwischen dem verfassungsrechtlich verbürgten Informationsinteresse der Presse auf der einen Seite und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der von den Ermittlungen betroffenen Personen sowie dem besonders geschützten Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Strafverteidiger auf der anderen Seite. Zwei aktuelle verwaltungsgerichtliche Entscheidungen – der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts v. 7.4.20251 1 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2192. und der Beschluss des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs v. 20.8.20252 2 Bayerischer VGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, ### (in diesem Heft). – illustrieren die divergente Gewichtung dieser gegenläufigen Interessen und werfen grundlegende Fragen zur Reichweite presserechtlicher Auskunftsansprüche gegenüber Strafverfolgungsbehörden auf. Beide Verfahren betrafen presserechtliche Anträge gem. § 4 I der jeweiligen Landespressegesetze auf Mitteilung der Namen und der Kanzleianschriften von Strafverteidigern in laufenden Ermittlungsverfahren. Während das OVG Hamburg (ebenso wie zuvor das VG Hamburg3 3 VG Hamburg, Beschl. v. 14.2.2025 – 17 E 666/25. ) dem Begehren stattgab, lehnte der BayVGH (sowie zuvor das VG München4 4 VG München, Beschl. v. 18.6.2025 – M 10 E 25.3465, BRAK-Mitt. 2025, 298. ) es mit ausführlicher Begründung ab. Beide Entscheidungen beruhen auf einzelfallbezogenen Abwägungen gem. § 4 II der jeweiligen Landespressegesetze. Das OVG Hamburg stellte maßgeblich auf den Schutzgehalt der Pressefreiheit und die Informations- und Kontrollfunktion der Presse ab.5 5 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2191 Rn. 15. Danach würde das hohe Informationsinteresse der Presse überwiegen.6 6 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2191 Rn. 22. Die betroffenen Interessen des Verteidigers seien lediglich seiner beruflichen Sozialsphäre zugehörig und daher weniger gewichtig.7 7 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2191 Rn. 33. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung sei nicht ersichtlich, zumal keine konkrete Stigmatisierungsgefahr bestehe.8 8 OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, BRAK-Mitt. 2025, 301 ff. = NJW 2025, 2191 Rn. 35. Mit dem Aspekt des besonders geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant und den Besonderheiten des Ermittlungsverfahrens hat sich das OVG Hamburg nicht beschäftigt. Demgegenüber zweifelte der BayVGH bereits an, ob die Identität des Strafverteidigers überhaupt von § 4 I BayPrG umfasst ist, wenn nicht über den Verteidiger berichtet werden soll, sondern er nur als Mittelsmann zur Kontaktaufnahme mit dem Beschuldigten dienen soll.9 9 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 22. Ein solches Recht auf Eröffnung einer im staatlichen Verantwortungsbereich liegenden Informationsquelle folge weder aus der Presse- noch aus der Informationsfreiheit.10 10 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 22. Zudem stehe einem (unterstellten) Informationsinteresse der Medien die von § 43a II BRAO geschützte anwaltliche Verschwiegenheitspflicht und das aus der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens folgende Geheimhaltungsinteresse entgegen.11 11 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 30 f. Zwar verhindere der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht jedes presserechtliche Auskunftsverlangen.12 12 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 27 ff. Jedoch führe auch die Abwägung der wechselseitig betroffenen Rechte zur Versagung des Auskunftsbegehrens.13 13 BayVGH, Beschl. v. 20.8.2025 – 7 CE 25.1263, BRAK-Mitt. 2025, 367 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 20973 Rn. 29. InsbeBRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 AUFSÄTZE 334
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