Rechtsberatung in ihrer Region verloren geht, während 61,11 % dies verneinen und 27,78 % es nicht einschätzen können. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die Rechtsversorgung trotz der Austritte weitgehend gewährleistet bleibt, möglicherweise durch Übernahme der Mandate durch andere Kanzleien oder durch ausreichende Anwaltsdichte in den betroffenen Regionen. 7. URSPRÜNGLICHE BERUFSPLANUNG – GESCHEITERTE HOFFNUNGEN Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage ist, dass 62,50 % der Aussteigerinnen und Aussteiger ursprünglich länger im Anwaltsberuf bleiben wollten; nur 37,50 % hatten von vornherein beabsichtigt, nur kurz im Beruf zu bleiben (vgl. Abb. 8). Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung zum Ausstieg häufig nicht von vornherein feststand, sondern sich aus den Berufserfahrungen entwickelte. Diese Erkenntnis ist besonders bedeutsam, weil sie zeigt, dass das Problem nicht in einer grundsätzlichen Fehleinschätzung des Berufsbildes liegt, sondern in den konkreten Arbeitsbedingungen. Die meisten Berufsaussteigerinnen und -aussteiger kamen mit positiven Erwartungen in den Beruf, sahen sich dann aber mit Realitäten konfrontiert, die ihre Berufsplanung veränderten. 8. UNTERSTÜTZUNGSBEDARF – NACHTRÄGLICHE ERKENNTNIS Bei der Frage nach zusätzlicher Unterstützung durch die Rechtsanwaltskammer gaben 70,49 % der Aussteigerinnen und Aussteiger an, keine zusätzlichen Informationen benötigt zu haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Probleme weniger in mangelnden Informationen als vielmehr in strukturellen Rahmenbedingungen lagen. Bei denjenigen, die Unterstützung gewünscht hätten, stehen Kenntnisse im Berufsrecht (16,39 %), Organisation des Kanzleialltags (9,84 %) und wirtschaftliche Grundlagen der Unternehmensführung (8,2 %) im Vordergrund. Dies deutet darauf hin, dass solche praktischen Fertigkeiten jenseits der juristischen Ausbildung Abb. 8: Ursprüngliche Berufsplanung häufig fehlen. In der stetig geführten Debatte über die Reform des Jurastudiums wird dies ebenfalls adressiert und eine Veränderung hin zu mehr Praxis, interdisziplinären Elementen und beruflichen Kompetenzen gefordert, auch wenn die Justizministerkonferenz bislang einen grundlegenden Reformbedarf offiziell verneint hat. Dennoch sollte dieses Thema weiter vorangetrieben werden. 9. RÜCKKEHRBEREITSCHAFT – EIN HOFFNUNGSSCHIMMER Eine der ermutigendsten Erkenntnisse der Umfrage ist die hohe Rückkehrbereitschaft: 19,12 % der Aussteigerinnen und Aussteiger halten eine Rückkehr in die Anwaltschaft für möglich, weitere 44,12 % schließen dies nicht aus. Nur 36,76 % schließen eine Rückkehr kategorischaus. Als Gründe für eine mögliche Rückkehr (vgl. Abb. 9) werden wirtschaftliche Aspekte und gute Verdienstmöglichkeiten von 59,46 % genannt, ebenso eine gute Work-Life-Balance (59,46 %). Eine spannende Tätigkeit würde 54,05 % zurücklocken, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf 51,35 %. Diese Zahlen zeigen, dass die Anwaltschaft grundsätzlich ihre Attraktivität bewahrt hat und dass viele Aussteigerinnen und Aussteiger bei entsprechenden Verbesserungen der Rahmenbedingungen durchaus zur Rückkehr in den Anwaltsberuf bereit wären. Dies eröffnet der Anwaltschaft die Möglichkeit, nicht nur zukünftige Austritte zu verhindern, sondern auch verloren geglaubte Talente zurückzugewinnen. Die hohe Bedeutung der Work-Life-Balance (59,46 %) als Rückkehrgrund unterstreicht, dass dies ein zentraler Ansatzpunkt für Reformen sein muss. Gleichzeitig zeigt die Betonung wirtschaftlicher Aspekte (59,46 %), dass die Anwaltschaft konkurrenzfähige Verdienstmöglichkeiten bieten muss, um attraktiv zu bleiben. V. FAZIT Die Umfrageergebnisse zeigen durchaus herausfordernde Entwicklungen in der Anwaltschaft auf, eröffnen aber FUHRMANN, WARUM DIE ANWALTSCHAFT IHREN NACHWUCHS VERLIERT BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 AUFSÄTZE 332
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