ausscheiden, deutet darauf hin, dass auch die mittlere Karrierephase kritisch ist, möglicherweise wenn die Belastungen des Berufs bei gleichzeitig hohen familiären Verpflichtungen ihren Höhepunkt erreichen. 3. BERUFLICHE TÄTIGKEIT VOR DEM AUSSTIEG – ALLE BEREICHE BETROFFEN Die Verteilung der beruflichen Tätigkeiten vor dem Ausstieg zeigt, dass alle Bereiche der Anwaltschaft betroffen sind. Die größte Gruppe der Aussteigenden (22,78 %) waren Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte, was angesichts des starken Wachstums dieses Bereichs zunächst überraschen mag. Hier könnten jedoch spezifische Belastungen durch die Doppelrolle als Anwältin/Anwalt und Unternehmensangehöriger eine Rolle spielen. Gleichzeitig zeigt sich, dass auch die klassische Anwaltschaft stark betroffen ist: 21,52 % der Aussteigenden waren Einzelanwältinnen oder -anwälte in Einzelkanzleien, 18,99 % angestellte Anwältinnen oder Anwälte in kleineren Kanzleien bis zu fünf Berufsträgern. Dies deutet darauf hin, dass gerade kleinere Strukturen besonders vulnerabel sind, möglicherweise aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten und hoher Arbeitsbelastung bei geringeren Ressourcen. Bemerkenswert ist auch, dass 13,92 % der Aussteigenden Partnerinnen oder Partner in kleineren Kanzleien waren, also Personen, die eigentlich eine etablierte Position erreicht hatten. Dies unterstreicht, dass die Probleme nicht nur bei Berufsanfängerinnen und -anfängern auftreten, sondern auch etablierte Anwältinnen und Anwälte zum Ausstieg bewegen. Die überwiegende Mehrheit (77,22 %) arbeitete in Vollzeit, was zeigt, dass auch die Vollzeitbeschäftigten, die Abb. 6: Zukünftige Berufstätigkeit traditionell als Kerngruppe der Anwaltschaft gelten, nicht vor einem Ausstieg gefeit sind. 4. ZUKÜNFTIGE BERUFSTÄTIGKEIT – FLUCHT IN DIE JUSTIZ UND DEN ÖFFENTLICHEN DIENST Die geplante zukünftige Berufstätigkeit der Aussteigerinnen und Aussteiger ist besonders aufschlussreich (vgl. Abb. 6): 38,89 % wechseln in den öffentlichen Dienst oder ein Beamtenverhältnis. Dies ist ein bemerkenswert hoher Anteil und deutet darauf hin, dass die Anwaltschaft talentierte Juristinnen und Juristen an den öffentlichen Dienst verliert. Möglicherweise bietet dieser die bessere Work-Life-Balance und größere Sicherheit, die in der Anwaltschaft vermisst werden. 22,22 % gehen in den Ruhestand, was angesichts der Altersstruktur erwartbar ist. Bemerkenswert ist jedoch, dass nur 16,67 % in ein anderes Angestelltenverhältnis wechseln und lediglich 4,17 % weiterhin selbstständig tätig sein werden. Dies zeigt, dass viele Aussteigerinnen und Aussteiger bewusst die Unsicherheiten der freiberuflichen Tätigkeit hinter sich lassen wollen. 5. HAUPTGRÜNDE FÜR DEN BERUFSAUSSTIEG – EIN KOMPLEXES PROBLEMGEFLECHT Die Analyse der Austrittsgründe offenbart ein komplexes Bild, das weit über einzelne Aspekte hinausgeht (vgl. Abb. 7). Wirtschaftliche Aspekte, konkret zu schlechte Verdienstmöglichkeiten, werden von 30,88 % als Grund genannt. Dies ist überraschend, da die Anwaltschaft traditionell als gut bezahlter Beruf gilt. Dauerhafte Überlastung wird von 27,94 % genannt und ist damit fast ebenso bedeutend wie die wirtschaftBRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 AUFSÄTZE 330
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