Justiz nach wie vor wichtig ist, auch wenn die Digitalisierung theoretisch größere Flexibilität ermöglichen würde. Diese demografischen und strukturellen Entwicklungen verstärken die bereits identifizierten Probleme und zeigen, dass die Herausforderungen der Anwaltschaft vielschichtig sind und koordinierter Lösungsansätze bedürfen. IV. ERGEBNISSE DER UMFRAGE UNTER BERUFSAUSSTEIGERINNEN UND -AUSSTEIGERN Die Umfrage unter den Berufsaussteigerinnen und -aussteigern liefert trotz der bislang noch geringen Teilnehmendenzahl von 88, davon 69 vollständig ausgefüllten Fragebögen außerordentlich wertvolle Erkenntnisse über die konkreten Austrittsgründe. Der besondere Wert dieser Daten liegt darin, dass sie von Personen stammen, die unmittelbar nach ihrer Entscheidung zur Rückgabe der Zulassung stehen, und damit authentische, nicht spekulative Einblicke in die tatsächlichen Beweggründe liefern. 1. DEMOGRAPHISCHE STRUKTUR DER AUSSTEIGENDEN – EIN DIFFERENZIERTES BILD Die Geschlechterverteilung ist mit 49,4 % weiblichen und 50,6 % männlichen Teilnehmenden ausgeglichen. Im Verhältnis zum Frauenanteil an der gesamten Anwaltschaft von 37,33 %9 9 Vgl. BRAK, Mitgliederstatistik zum 1.1.2025; dazu ausf. Witte, BRAK-Mitt. 2025, 102. sind jedoch überproportional viele Frauen unter denjenigen, die den Anwaltsberuf verlassen. Dass vor allem Frauen die Anwaltschaft nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen, belegt auch bereits eine im Jahr 2022 durch die Rechtsanwaltskammer Sachsen für ihren Kammerbezirk durchgeführte Auswertung.10 10 Dazu Fuhrmann, BRAK-Mitt. 2022, 184, 187 f. Abb. 5: Altersstruktur der Aussteigenden Besonders aufschlussreich ist die Altersverteilung der Aussteigerinnen und Aussteiger (vgl. Abb. 5): Während erwartungsgemäß die Gruppe der 51-60-Jährigen mit 23,53 % den größten Anteil stellt und ebenfalls insgesamt 23,53 % über 60 Jahre alt sind und damit altersbedingt ausscheiden, ist der hohe Anteil jüngerer Aussteigerinnen und Aussteiger alarmierend. 14,12 % derer, die aus dem Beruf aussteigen, sind zwischen 31– 35 Jahren alt, weitere 10,59 % sogar unter 30 Jahren. Dies bedeutet, dass mehr als ein Viertel (25,88 %) der Aussteigerinnen und Aussteiger zur jungen Generation gehören, die eigentlich das Rückgrat der zukünftigen Anwaltschaft bilden sollte. Diese Zahlen unterstreichen, wie dringlich das Problem des Nachwuchsverlustes ist. Hinzu kommen 17,65 % zwischen 41-50 Jahren und 10,59 % zwischen 36-40 Jahren, also insgesamt 52,95 % im erwerbsfähigen Alter unter 50 Jahren. Dies zeigt, dass der Berufsverlust nicht primär altersbedingt erfolgt, sondern strukturelle Ursachen hat. 2. BERUFSERFAHRUNG DER AUSSTEIGERINNEN UND AUSSTEIGER – FRÜHER UND SPÄTER AUSSTIEG Die Verteilung der Berufserfahrung offenbart zwei kritische Zeitpunkte für den Berufsausstieg: Die größte Gruppe der Aussteigerinnen und Aussteiger (32,86 %) war mindestens 20 Jahre zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und scheidet damit häufig alters- oder gesundheitsbedingt aus. Besorgniserregend ist jedoch, dass 12,86 % bereits nach mindestens drei Jahren ihre Zulassung zurückgaben. Zusammen mit den 18,57 %, die nach mindestens fünf Jahren ausscheiden, zeigt sich, dass fast ein Drittel (31,43 %) der Aussteiger den Beruf in den ersten fünf Jahren verlässt. Diese frühen Ausstiege sind besonders problematisch, da sie nach einer ersten Orientierungsphase erfolgen und oft mit enttäuschten Erwartungen bezüglich der Berufspraxis zusammenhängen. Die Tatsache, dass weitere 17,14 % nach höchstens zehn Jahren aus dem Beruf AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 329
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0