BRAK-Mitteilungen 5/2025

lose Verwendung von KI-Halluzinationen unabhängig von deren Ausmaß ausschließlich der nicht justiziablen Anwaltsethik unterfallen oder ob auch eine berufliche Sanktionierung in bestimmten Fallkonstellationen in Betracht gezogen werden soll oder gar muss. Jedenfalls wird es für eine berufsrechtliche Sanktionierung ebenso wie für die bereits jetzt zweifellos mögliche Haftung darauf ankommen, in welchem Umfang Halluzinationen der KI übernommen wurden und welches Ausmaß an Konsequenzen sich daraus ergibt (s. II.2. und III.1.b und III.2.). Einzelne Falschzitate mögen unsorgfältige anwaltliche Arbeit darstellen und den Mandanten auch verärgert zurücklassen, begründen jedoch weder einen Berufsrechtsverstoß noch eine Haftung. Dabei sollte der Anwalt bzw. die Anwältin auch auf die Qualität des Chatbots achten. Wie ein aktueller Beschluss des LG Frankfurt zeigt, konnte das Gericht durch eine Gegenprobe mit gängigen, teils juristischen, Chatbots tatsächlich auf für den Streitfall relevante obergerichtliche Rechtsprechungslinien sowie einschlägige Urteile zurückgreifen. Wohingegen der Anwalt sich offensichtlich auf von der KI halluzinierte Ergebnisse stützte.68 68 LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 25.9.2025 – 2/13 S 56/24, BeckRS 2025, 24784 Rn. 2 f. Aufgrund der möglichen und derzeit hohen Fehlerquellen insb. von frei zugänglichen KI-Modellen ist eine sorgfältige Kontrolle geboten (s. III.1.a), um sich eben nicht mit den Fragen des Ausmaßes seiner eigenen fehlerhaften KI-Nutzung auseinandersetzen zu müssen. WARUM DIE ANWALTSCHAFT IHREN NACHWUCHS VERLIERT AKTUELLE ENTWICKLUNGEN INNERHALB DER ANWALTSCHAFT RECHTSANWÄLTIN SABINE FUHRMANN* * Die Autorin ist Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht in Leipzig. Sie ist Vizepräsidentin der BRAK, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Sachsen, im Vorstand des Bundesverbands der Freien Berufe und Vorsitzende des Fördervereins Forum Recht e.V. Die Anwaltschaft schrumpft seit 2020 leicht, aber stetig. Dabei ist eine Verschiebung zur Syndikusanwaltschaft zu beobachten, aber auch die besorgniserregende Entwicklung, dass immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen der Anwaltschaft nach wenigen Berufsjahren den Rücken kehren. Was die Gründe dafür sind, hat die BRAK in zwei Umfragen erhoben, für die einerseits noch nicht länger als fünf Jahre zugelassene Anwältinnen und Anwälte befragt wurden, andererseits ehemalige Anwältinnen und Anwälte, die gerade ihre Zulassung zurückgegeben haben. Die Autorin erläutert die Ergebnisse beider Befragungen und zeigt eine klare Roadmap für notwendige Maßnahmen auf, um der Entwicklung entgegenzuwirken. I. HINTERGRUND Bereits seit dem Jahr 2020 ist ein leichter Abwärtstrend in der Anwaltschaft zu verzeichnen. Zum Stichtag 1.1. 2025 waren insgesamt 138.715 niedergelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zugelassen, das bedeutet einen leichten Rückgang um 0,63 % oder 874 Mitglieder im Vergleich zum Vorjahr.1 1 S. BRAK-Mitgliederstatistik zum 1.1.2025 und ausf. dazu Witte, BRAK-Mitt. 2025, 102. In den vergangenen sieben Jahren verließen rund 9.500 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte den Beruf. Regional verlief und verläuft die Entwicklung sehr unterschiedlich. Wenige Großstadt-Rechtsanwaltskammern verzeichnen weiterhin ein, wenn auch geringfügiges, Wachstum, die übrigen Kammern verlieren langsam, aber stetig Mitglieder. Ein Blick in die BRAK-Statistik belegt, dass dieser Rückgang verschiedene Gründe hat: Entsprechend dem hohen Durchschnittsalter der Anwaltschaft gibt es einen hohen altersbedingten Abgang aus dem Beruf. Zudem findet eine deutliche Verschiebung hin zur Syndikusrechtsanwaltschaft statt. Und schließlich – und am besorgniserregendsten – die hohe Rückgabequote der unter 40-jährigen Anwältinnen und Anwälte. Ein großer Teil der Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger gibt innerhalb der ersten fünf Jahre die Zulassung wieder zurück. Überproportional häufig verlassen Kolleginnen den Beruf. Im Jahr 2023 gaben bundesweit 1.447 unter 40 Jahre alte Anwältinnen und Anwälte ihre Zulassung zurück, 984 davon waren sogar jünger als 35 Jahre. Der Anwaltsberuf erweist sich also häufig nach einer „Probephase“ als nicht attraktiv genug für die nachrückende Generation. Daher muss die Anwaltschaft sich fragen, warum sie ihren Nachwuchs verliert. Mit dieser Frage befasste sich die BRAK-Arbeitsgruppe „Entwicklung und Strukturen der Anwaltschaft“ intensiv.2 2 Eine erste Untersuchung zur Entwicklung der Anwaltschaft in der Fläche insb. in den Bezirken der ostdeutschen Rechtsanwaltskammern führte die Arbeitsgruppe im Frühjahr 2022 durch; s. dazu Fuhrmann, BRAK-Mitt. 2022, 184. Der im Jahr 2021 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe gehören die Präsidentinnen und Präsidenten der ostdeutschen RechtsanwaltskamFUHRMANN, WARUM DIE ANWALTSCHAFT IHREN NACHWUCHS VERLIERT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 323

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