BRAK-Mitteilungen 5/2025

Rechtsanwältin eben die Verantwortung für seinen Schriftsatz, mithin auch für halluzinierte KI-Fundstellen.49 49 Braegelmann, KIR 2025, 341, 345; zum Vertretenmüssen Ebers, StichwortKommentar Legal Tech/Heetkamp, Haftung des Rechtsanwalts ggü. Mandanten Rn. 31. b) ERSATZFÄHIGER SCHADEN Ein ersatzfähiger Schaden wird wiederum schwieriger nachzuweisen sein. Ein Schaden entsteht im Fall der Übernahme von KI-Halluzinationen nach der Differenzhypothese nur dann, wenn der Mandant ohne die halluzinierten Ergebnisse wirtschaftlich besser stünde.50 50 Zur Differenzhypothese BGH, NJW-RR 2017, 52 Rn. 9; Remmertz Legal Tech-Strategien für Rechtsanwälte/Jungk, 2. Aufl. 2025, § 7 Rn. 65; Borgmann/Jungk/Schwaiger/Schwaiger, Anwaltshaftung, 6. Aufl. 2020, Kapitel V. Rn. 99. Die Halluzinationen müssen daher den Anspruch des Mandanten entsprechend gemindert oder seine Durchsetzung kostenrelevant erschwert oder verhindert haben. Letztlich geht es um den hypothetischen Ausgang des Vorprozesses. Hier liegt das Problem: Grundsätzlich hat der Mandant das zu beweisen, was er auch im Vorprozess hätte darlegen müssen, während die Anwältin bzw. der Anwalt die Beweise zu führen hat, die dort der Prozessgegner des Mandanten vorzubringen gehabt hätte.51 51 Vollkommer/Greger/Heinemann/Greger, AnwaltshaftungsR, 5. Aufl. 2021, § 25 Rn. 27; Borgmann/Jungk/Schwaiger/Schwaiger, Anwaltshaftung, 6. Aufl. 2020, Kapitel IX. Rn. 38. aa) UNGÜNSTIGER PROZESSAUSGANG ALS FOLGE DER KI-HALLUZINATIONEN Es lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden, in denen für den Mandanten ein Schaden im Hinblick auf einen ungünstigen Prozessausgang entstehen kann. Zum einen, wenn die Beratung auf einer Halluzination der KI beruht, und zum anderen, wenn eine KI-Halluzination im gerichtlichen Verfahren verwendet wird. Schätzt die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt aufgrund einer KI-Halluzination die Erfolgsaussichten falsch ein,52 52 Zumindest an der Rechtsprechung hat der Anwalt seine Beratung auszurichten, Borgmann/Jungk/Schwaiger/Jungk, Anwaltshaftung, 6. Aufl. 2020, Kapitel IV. Rn. 48 ff. so kann nach dem zuvor Gesagten ein ersatzfähiger Schaden entstehen, wenn der Mandant ohne diese unzutreffende Beratung über die Erfolgsaussichten den Prozess nicht/doch geführt hätte.53 53 Für den Mandanten stellt die Frage nach den Erfolgsaussichten des Prozesses einen wesentlichen, wenn nicht sogar den entscheidenden Beratungsgegenstand dar, Borgmann/Jungk/Schwaiger/Jungk Anwaltshaftung, 6. Aufl. 2020, Kapitel IV. Rn. 91; bzgl. predictive analytics Thole/Rolff, anwaltsblatt.de v. 9.2.2025, https:// doi.org/10.70919/anwbl10105. Die entstandenen Kosten sind dann als Schaden ersatzfähig. Bisher sind solche Fälle jedoch nicht bekannt. Ob die Anwältinnen und Anwälte in den bisher publik gewordenen Schriftsätzen ebenfalls KI-Halluzinationen als Ausgangslage der Beratung genutzt haben, kann nur gemutmaßt werden. Wenn hingegen die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt KI-Halluzinationen erst im gerichtlichen Verfahren verwendet, um den Anspruch im Schriftsatz argumentativ zu stützen oder plausibler zu machen, wird daraus nur selten ein ersatzfähiger Schaden des eigenen Mandanten resultieren. Zwar prägen Sprache und Argumentation das Recht. Daher erwähnt auch Wolf, dass das auf den konkreten Fall anzuwendende Recht erst im Prozess selbst herausgearbeitet werden muss.54 54 Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., Einl. Rn. 64 ff. Nichtsdestotrotz wird man wohl nach dem Grundsatz „iura novit curia“ (Das Gericht kennt das Recht) zumeist haftungsrechtlich davon ausgehen müssen, dass auch ohne KI-Halluzinationen die Richterin oder der Richter das Urteil im Kern nicht anders gefällt hätte. Vereinzelte falsche Zitate werden daher nicht den Prozessausgang verändern.55 55 Braegelmann, KIR 2025, 341, 342. Strikt von der Frage der KI-generierten falschen Urteilen und Literaturstellen zu trennen ist, ob ein KI-generiertes Ergebnis den Sachvortrag verfälscht oder unverständlich macht. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, dass das Gericht aufgrund des vorgebrachten Sachverhalts und des Beibringungsgrundsatzes nicht zugunsten der Mandantschaft entscheiden kann, obwohl ein korrekt wiedergegebener Sachverhalt ohne die Halluzinationen der KI durchaus eine andere Entscheidung ermöglicht hätte. Was indes von erheblicher Relevanz sein kann, ist die Gefahr, dass die Qualität der rechtlichen Argumentation – und damit zugleich die Tragfähigkeit des gesamten rechtlichen Vorbringens – durch KI-Halluzinationen so sehr beeinträchtigt wird, dass der Mandant in Vergleichsverhandlungen in eine deutlich ungünstigere Ausgangsposition gedrängt wird, als es nach der tatsächlichen Rechtslage erforderlich gewesen wäre. Nimmt die Anwältin bzw. der Anwalt dann ein Vergleichsangebot an, obwohl Gericht oder Gegenseite die falschen Stellen aufzeigen, kann ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen. Die Anwältin bzw. der Anwalt darf ihren/seinen Mandanten nämlich nicht zu einem Vergleich raten, wenn mit hinreichender Sicherheit ein deutlich günstigeres Urteil (notfalls im streitigen Verfahren) zu erwarten ist.56 56 BGH, NJW 2010, 1357 Rn. 8. bb) MEHRKOSTEN DURCH MEHRAUFWAND Das AG Köln wies in seinem Beschluss darauf hin, dass die KI-Halluzinationen die Rechtsfindung erschweren, und führt zahlreiche falsch wiedergegebene Stellen aus dem Schriftsatz an, die das Gericht alle nachgeprüft hat.57 57 AG Köln, Beschl. v. 2.7.2025 – 312 F 130/25, BeckRS 2025, 15539 Rn. 11. Nimmt man die rechtliche Prüfung und Auseinandersetzung mit den Schriftsätzen ernst, zeigt dies, dass KI-Halluzinationen auch für die Parteien einen erheblichen Mehraufwand bedeuten können. Für eine fundierte juristische Argumentation ist es auch für die Gegenseite notwendig, die halluzinierten Inhalte zunächst aufzudecken und anschließend darzustellen, damit die Richterin bzw. der Richter die Stellen nicht AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 321

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