ab. In den anschließenden Berichterstattungen und den ersten rechtlichen Auseinandersetzungen wurde ein Berufsrechtsverstoß eher zurückhaltend beurteilt bis gänzlich abgelehnt.9 9 So https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/ag-koeln-312f13025-ki-schrift satz-anwalt-halluzinationen-berufsrecht; https://www.lto.de/recht/juristen/b/ag-ko eln-familiengericht-312f130-25-schriftsatz-ki-anwalt-berufspflichten; https://rsw.be ck.de/aktuell/daily/meldung/detail/olg-celle-5u125-ki-falsche-fundstelle. Über das Sachlichkeitsgebot hinaus könnten auch die gewissenhafte Berufsausübung sowie der Prozessbetrug, als mögliche strafrechtliche Auswirkung, als einschlägig angesehen werden und werden folglich zum Teil thematisiert. 1. SACHLICHKEITSGEBOT Nach § 43a III 1 BRAO darf sich die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt bei ihrer bzw. seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Nach Satz 2 ist unsachlich insb. ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben. Zunächst liegt es nahe, dass bei unzutreffenden Urteilen und Literaturstellen an die Verbreitung unwahrer Tatsachen zu denken ist.10 10 Fundstelle wird hier definiert als die Angabe eines existierenden Werks und einer Fundstelle zur Dokumentation der Quellenherkunft. Sie bezeichnet nicht die „Zueignung“, Bewertung oder Anwendung einer Meinung.. Indes sind die einzelnen Voraussetzungen nicht unumstritten. Kernpunkte der Diskussion sind die Fragen, ob falsche oder nicht existente Urteile und Literaturstellen unwahre Tatsachen darstellen und ob und unter welchen Voraussetzungen die Übernahme der KI-Halluzinationen das Erfordernis einer bewussten Verbreitung erfüllen. Ebenso werden die Ergebnisse maßgeblich dafür sein, ob ein Prozessbetrug in Betracht gezogen werden kann. Erforderlich ist insoweit nämlich ebenso das Vorliegen unwahrer Tatsachen sowie der Nachweis, dass die Anwältin oder der Anwalt diese vorsätzlich verwendet hat. a) UNWAHRE TATSACHEN In der medialen Diskussion werden Urteilen und Literaturstellen die Tatsacheneigenschaft oftmals abgesprochen. Die Betrachtung greift dabei oft zu kurz. Tatsachen werden allgemein als konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart bezeichnet, die dem Beweis zugänglich sind.11 11 Anstatt vieler BeckOK StGB/Valerius, 66. Ed. 1.8.2025, StGB § 186 Rn. 2. Richtigerweise fallen daher nicht unter den Tatbestand Werturteile wie Rechtsansichten oder falsche rechtliche Schlussfolgerungen.12 12 Von unrichtigen Rechtsansichten als Werturteil spricht Kleine-Cosack/Kleine-Cosack, 9. Aufl. 2022, BRAO § 43a Rn. 100; zu Rechtsauffassungen Hertung/Scharmer/Peitscher, 8. Aufl.2022, § 43a BRAO Rn. 96. Insofern ist eine fehlerhafte Subsumtion der KI oder eine KI-generierte, so in der Literatur nicht vertretene Auslegung einer Norm, keine unwahre Tatsache i.S.d. § 43a III 2 BRAO. Es handelt sich daher allenfalls um eine mangelhafte Leistung, wenn die KI fehlerhaft subsumiert. Gleiches dürfte gelten, wenn die KI sich maßgeblich auf eine absolute Mindermeinung stützt. Im Kampf ums Recht muss der Rechtsanwältin bzw. dem Rechtsanwalt erlaubt sein, selbst gegen eine absolut herrschende Meinung zu argumentieren und darzulegen warum entweder ein Rechtsprechungswechsel erforderlich ist oder der betrachtete Einzelfall eben nicht von der bisher einhelligen Meinung abgedeckt ist.13 13 So auch Henssler/Prütting/Henssler, 6. Aufl. 2024, BRAO § 43a Rn. 190; Weyland/ Baukmann, 11. Aufl. 2024, BRAO § 43a Rn. 39; Rechtsprechung muss daher ein dialogisches Verfahren sein, in dem die Parteien ihre Rechtsansicht zur Diskussion und Disposition stellen, Wolf/Denz, Der Wirtschaftsführer 2022, 23, 24. Daraus folgt aber nicht, dass halluzinierte KI-Ergebnisse in Form von Urteilen, Gesetzen und Literaturstellen keine Tatsachen darstellen können.14 14 Zur Tatsachenbehauptung bei Urteilen und Gesetzen Weyland/Bauckmann, 11. Aufl. 2024, § 43a BRAO Rn. 39 und Henssler/Prütting/Henssler, 6. Aufl. 2024, § 43a BRAO Rn. 190. Dabei handelt es sich nämlich, anders als in den vorherigen Beispielen, nicht um eine Schlussfolgerung, sondern um die Wiedergabe eines nachprüfbaren Inhalts. Unzweifelhaft ist der Inhalt von Urteilen und Literaturstellen daher dem Beweis zugänglich. Insofern kann bei Urteilen und Literaturstellen auch von Rechtstatsachen gesprochen werden, deren Wahrheit wesentlich für den Prozessablauf ist. Stellt die KI etwa ein Urteil dar, das in Wahrheit nie existiert hat, und baut die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt dieses vermeintliche Urteil in ihrer bzw. seiner Begründung ein, so wird der Beleg der Argumentationslinie auf eine falsche Grundlage gestellt und macht die Argumentation für die Gegenseite zumindest nicht nachvollziehbar. Eine Auseinandersetzung mit dem Schriftsatz bedeutet dann zwangsläufig Mehrarbeit. Viel mehr noch können falsche Fundstellen im schlimmsten Fall, genauso wie falsch vorgebrachte Tatsachen, zu falschen Ergebnissen führen. Deshalb braucht es den Mindestkonsens über feststehende rechtliche Fakten, um einen fairen Kampf ums Recht zu gewährleisten. b) BEWUSSTES VERBREITEN Die KI wird zumeist durch Prompts gesteuert. Wie bei der klassischen juristischen Recherche kann das erzielte Ergebnis entweder sorgfältig und dezidiert überprüft oder aber ungeprüft übernommen werden. Es stellt sich daher die Frage, ob dem Anwender ein bewusstes Verbreiten der Unwahrheiten vorzuwerfen oder gar nachzuweisen ist. In der Literatur wird diesbezüglich auf den § 187 StGB abgestellt, sodass auf der subjektiven Seite überwiegend ein Verbreiten „wider besseres Wissens“ gefordert wird.15 15 Henssler/Prütting/Henssler, 6. Aufl. 2024, BRAO § 43a Rn. 188; Kleine-Cosack/ Kleine-Cosack, 9. Aufl. 2022, BRAO § 43a Rn. 110; BeckOK BRAO/Praß, 27. Ed. 1.8.2022, BRAO § 43a Rn. 161a. Vereinzelnd wird es als ausreichend angesehen, wenn der Anwalt die Unwahrheit billigend in Kauf nimmt.16 16 Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, 3. Aufl. 2019, BRAO § 43a Rn. 70. Überzeugender erscheint es, im Fall der Verbreitung unwahrer Tatsachen einen direkten Vorsatz zu fordern. Für dieses Verständnis sprechen sowohl insb. der Wortlaut als auch die Systematik der Vorschrift. Greift der GesetzAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 317
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