bel-Pfister, VwGO, 16. Aufl., § 114 Rn. 25; Kopp/Ramsauer/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl., § 40 Rn. 78). Denn diesen liegt zugrunde, dass der Kl. keine der Mindestanforderungen für eine Kanzlei mehr erfüllte und gänzlich unerreichbar war. Die Bekl. hat dieses Verhalten ausweislich ihres Verweises darauf, dass der Widerrufsgrund der Aufgabe der Kanzlei regelmäßig gegeben sei, wenn der Rechtsanwalt flüchtig sei, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, jedenfalls wertungsmäßig einem Fluchtverhalten angenähert. In einer derartigen Konstellation wären gänzlich andere Ermessenserwägungen für einen Widerruf anzustellen als in der sich hier aus den eigenen Feststellungen der Bekl. allenfalls ergebenden Konstellation, in der die Anzeichen der Kanzlei nach außen abgeschafft wurden mit der Folge, dass ihn Zustellungen nicht mehr erreichten (vgl. Senat, Beschl. v. 30.6.1983 – AnwZ (B) 16/86 Rn. 36 f.). Insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und der in diesem Zusammenhang zu erwägenden Frage, ob zunächst anwaltsgerichtliche Maßnahmen zur Erzwingung der Kanzleipflicht durchgeführt werden, spielt es eine entscheidende Rolle, ob es gänzlich an einer Kanzlei fehlt oder der Anwalt nur einigen oder einzelnen der Mindestanforderungen an eine Kanzlei nicht genügt (vgl. Senat, Beschl. v. 6.3.2006 – AnwZ (B) 29/ 05 Rn. 7; v. 30.10.1995 – AnwZ (B) 22/95, BRAK-Mitt. 1996, 33, 34; v. 30.6.1983 – AnwZ (B) 16/86, a.a.O.; BVerfG, BRAK-Mitt. 2005, 275, 276; BVerfGE 72, 26, 33). [30] Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kl. auch nicht dazu angehört wurde, dass die Bekl. davon ausging, er habe keinen Raum mehr, in dem er seinen Berufsgeschäften nachgehe und zu den üblichen Geschäftsstunden normalerweise zu erreichen sei, er unterhalte keinen betrieblichen Telefonanschluss und der Briefkasten sei bei der Inaugenscheinnahme am 26.8. 2019 zugeschweißt gewesen. Die Anhörungsschreiben erwähnen diese Umstände nicht. [31] cc) Die Begründung des Zulassungsantrags hat somit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des AGH, dass entscheidungserhebliche Ermessensfehler vorliegen, aufgezeigt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der im Zulassungsverfahren vorgelegten ergänzenden Ermessenserwägungen. Demzufolge ist die u.a. tragend wegen Ermessensfehlerhaftigkeit erfolgte Entscheidung, den Widerrufsbescheid aufzuheben, nicht ernstlich in Frage gestellt. Ohnehin ergibt sich die Ermessenfehlerhaftigkeit – wie ausgeführt – zusätzlich aus der Zugrundelegung eines dem Ermittlungsergebnis nicht entsprechenden, nicht durch Tatsachen getragenen Sachverhalts. [32] Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob auch die von dem AGH benannten weiteren formellen und materiellen Fehler vorlagen, nicht geheilt wurden und zur Aufhebung des Widerrufsbescheids führen würden. [33] 2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschl. v. 5.4.2019 – AnwZ (Brfg) 2/19 Rn. 13 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des BGH erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschl. v. 5.4.2019, a.a.O.; v. 12.3. 2015 – AnwZ (Brfg) 82/13 Rn. 24; jeweils m.w.N.). [34] Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan. [35] a) Die Bekl. hält eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung bezüglich der Frage, ob bei einer elektronischen Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt über beA nach § 5 IV VwZG ein Zustellungsfehler nach § 8 VwZG auch durch den Nachweis des tatsächlichen Zugangs geheilt werden könne, für geboten. Die Frage bezieht sich nach dem Vorbringen der Bekl. darauf, ob die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach der Mangel des Empfangswillens bei einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nicht durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs gem. § 189 ZPO bzw. gem. § 8 VwZG geheilt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2015 – VIII ZB 55/14, NJW-RR 2015, 953, Rn. 7, 12; BVerwG, ZOV 2011, 138 Rn. 7), auch für den Fall einer elektronischen Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gilt. Wie oben ausgeführt, ist diese Rechtsfrage indes beRechtsfrage geklärt reits – auch durch den BGH – dahin geklärt, dass eine Heilung des fehlenden Empfangswillens auch bei elektronischen Zustellungen nicht möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2022 – V ZR 15/ 21, NJW 2022, 1816 Rn. 22; OLG Karlsruhe, GRUR-RS 2023, 4502 Rn. 57 ff.; OVG Saarlouis, NVwZ 2022, 658 Rn. 9 f.). Die Bekl. hat nicht dargelegt, dass, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite diese Frage überhaupt und auch weiterhin umstritten ist. Auch die von ihr für ihre Gegenansicht vorgebrachten Argumente vermögen – wie oben ausgeführt – diese Rechtsprechung nicht in Frage zu stellen und einen (weiteren) Klärungsbedarf nicht aufzuzeigen. [36] b) Die Bekl. macht Grundsatzbedeutung weiter geltend zur Klärung der Frage, ob es gegen Treu und Glauben verstößt, wenn ein Rechtsanwalt sich darauf beruft, er habe das beA entgegen seiner passiven Nutzungspflicht aus § 31a VI BRAO nicht genutzt und/oder die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen nicht geschaffen mit der Folge, dass er dadurch den Eintritt der Heilungswirkung nach § 8 VwZG kategorisch verhindere. ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 407
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