Stein/Thöne, ZPO, 24. Aufl., § 173 Rn. 18). Entsprechend hat der Gesetzgeber des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 5.10.2021 (BGBl. I S. 4607) in § 173 IV 4 ZPO eine Zustellungsfiktion bei der elektronischen Zustellung an andere als die in Abs. 2 genannten Verfahrensbeteiligten eingeführt, hiervon für die in Abs. 2 genannten Verfahrensbeteiligten, wie etwa Rechtsanwälte, die kraft Amtes ein besonderes Maß an Vertrauenswürdigkeit genießen, abgesehen und dort weiterhin die Abhängigkeit des Nachweises der Zustellung von einem willentlichen Akt wie der Rücksendung des Empfangsbekenntnisses beibehalten (vgl. BT-Drs. 19/28399, 37). [13] (4) Nach alledem ist der AGH zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerrufsbescheid dem Kl. nicht aufgrund der am 26.11.2019 erfolgten Übermittlung per beA wirksam zugestellt wurde. Denn ein Empfangswille des Kl. ist hier nicht ersichtlich. Weder hat er ein Empfangsbekenntnis abgegeben noch kann aus sonstigen Umständen hinreichend zuverlässig auf die empfangsbereite Entgegennahme des ihm am 26.11. 2019 in seinem beA-Postfach zugegangenen Widerrufsbescheids geschlossen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2015 – VIII ZB 55/14, NJW-RR 2015, 953 Rn. 12 f.; BVerwG, NJW 2007, 3223). [14] Entgegen der Auffassung der Bekl. hat der Kl. mit seinem Schreiben v. 17.9.2019 auch nicht antizipiert und generell seinen Empfangswillen für Zustellungen über das beA erklärt und ist deshalb auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf den fehlenden Empfangswillen zu berufen. Zum einen hat das Schreiben v. 17.9.2019 keinen erkennbaren Bezug zu dem Widerrufsverfahren und den vorangegangenen Anhörungen. Bei den dort unter „Ihre Zeichen“ angegebenen Zahlen handelt es sich auch nicht – wie in der Antragsbegründung behauptet – um das eigens im vorliegenden Widerrufsverfahren verwendete Aktenzeichen, sondern um die Mitgliedsnummer des Kl. Zum anderen hat der Kl. dort auch nicht antizipiert und generell seinen Empfangswillen für künftige Zustellungen per beA erklärt, sondern lediglich – auch mit der Begründung, dass das beA zwischenzeitlich existiere – veränderte Kontaktdaten und seine beA Safe-ID angegeben. [15] Letztlich oblag es der Bekl., zu prüfen, ob der Widerrufsbescheid ordnungsgemäß zugestellt war, mithin – sofern sie eine Zustellung nach § 5 IV VwZG beabsichtigt hätte – ob ein dokumentierter Annahmewillen des Kl. vorlag oder ob sie eine Zustellung auf anderem Weg, etwa nach § 5 I VwZG durch Aushändigung gegen Empfangsbekenntnis, durchführen musste. Darauf, dass der Kl. sich nicht auf eine fehlende oder jedenfalls fehlerhafte Zustellung und einen fehlenden Annahmewillen berufen würde, konnte die Bekl. dagegen nicht vertrauen. [16] b) Das Vorbringen im Zulassungsantrag begründet auch keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Zustellung auf anderem Weg möglich AGH, dass der Widerrufsbescheid wegen Ermessensfehlern rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist. Auch die mit dem Zulassungsantrag vorgelegten ergänzenden Ermessenserwägungen der Bekl. vermögen hieran nichts zu ändern. [17] aa) Nach § 14 III Nr. 4 BRAO kann die Zulassung eines Rechtsanwalts widerrufen werden, wenn er seine Kanzlei ohne Befreiung von der Kanzleipflicht aufgibt. Die Aufgabe der Kanzlei liegt vor, wenn der Rechtsanwalt den Mindestanforderungen an die Einrichtung einer Kanzlei nicht mehr genügt und damit für das rechtsuchende Publikum nicht mehr erreichbar ist (vgl. Senat, Beschl. v. 6.7.2009 – AnwZ (B) 26/09, NJW-RR 2009, 1577 Rn. 5 m.w.N.). Zu diesen Anforderungen gehören organisatorische Maßnahmen, um der Öffentlichkeit den Willen des Rechtsanwalts zu offenbaren, bestimmte Räumlichkeiten zu verwenden, um dort anwaltliche Dienste bereitzustellen; ferner muss der Rechtsanwalt ein Praxisschild anbringen, einen Telefonanschluss unterhalten und zu angemessenen Zeiten dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (vgl. Senat, Beschl. v. 6.7.2009 – AnwZ (B) 26/09, a.a.O. m.w.N.). [18] Bei der Auslegung und Anwendung der Widerrufsregelung ist zu berücksichtigen, dass die Kanzleipflicht zwar nur die Berufsausübung beschränkt, sich aber die Anwendung der Regelung i.V.m. der gesetzlich vorgesehenen Sanktion des Widerrufs als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl auswirken kann und insoweit strengeren verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muss (vgl. BVerfG, BRAK-Mitt. 2005, 275 f.; BVerfGE 72, 26, 32). Diese schwerwiegenden Auswirkungen sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen und bedingen die Prüfung, warum im konkreten Einzelfall die am stärksten in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Maßnahme des Zulassungswiderrufs zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend erforderlich ist und nicht etwa mit den anwaltsgerichtlichen Maßnahmen nach § 114 I Nr. 1 bis 3 BRAO schonendere Mittel zur Verfügung stehen (vgl. Senat, Beschl. v. 18.11.2013 – AnwZ (B) 3/13, NJW-RR 2014, 377 Rn. 7; v. 6.3.2006 – AnwZ (B) 29/05 Rn. 7; v. 30.6.1986 – AnwZ (B) 16/86 Rn. 37; BVerfG, BRAK-Mitt. 2005, 275 f.; BVerfGE 72, 26, 33). [19] bb) Der AGH hat diese Grundsätze zutreffend berücksichtigt. Das Vorbringen der Beschwerde stellt die hierauf gründende Auffassung des AGH, dass die Entscheidung der Bekl. aus mehreren Gründen ermessensfehlerhaft ist, nicht ernstlich in Frage. Die im Zulassungsverfahren vorgelegten ergänzenden Ermessenserwägungen führen zu keiner anderen Bewertung. [20] (1) Zu Recht ist der AGH davon ausgegangen, mildere Mittel dass die Bekl. das ihr zustehende Ermessen bei der Entscheidung über den Widerruf nicht in ausreichendem Maße einzelfallbezogen ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 5/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 404
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