BRAK-Mitteilungen 4/2025

de, tritt die Bedeutung der redaktionellen Tätigkeit der Bekl. für die Bereithaltung der Rechtsprechungsdatenbank keineswegs völlig in den Hintergrund. d) Ohne dass es hierauf noch ankäme, dürfte auch die Bereichsausnahme für eine Verarbeitung zu wissenschaftlichen Zwecken Bereichsausnahme für eine Verarbeitung zu wissenschaftlichen Zwecken vorliegen. Der Begriff der wissenschaftlichen Forschung umfasst jede wissenschaftliche Tätigkeit und damit eine solche Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist (Kühling/ Buchner/Buchner/Tinnefeld, 4. Aufl. 2024, Art. 85 DSGVO Rn. 21, beck-online m.w.N.). Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, dass die Bekl. wissenschaftliche Zwecke für sich in Anspruch nehmen kann. Dies gilt etwa im Hinblick darauf, dass rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen häufig Gerichtsentscheidungen über die Datenbank der Bekl. zitieren (vgl. zu einer Literatursuche nach dem Stichwort „openjur“ in der Datenbank Beck-Online Anl. B12). Zudem ist die Bekl. auch Partnerin der Initiative „OpenRewi“, eines Zusammenschlusses von Rechtswissenschaftlern, der sich der Nutzung frei zugänglicher Informationen für die rechtswissenschaftliche Forschung verschrieben hat. 2. Bleibt es danach für die Beurteilung des Unterlassungsbegehrens des Kl. bei der Anwendbarkeit des nationalen Rechts, das aufgrund der Bereichsausnahme anstelle der Regelungen der DSGVO Geltung beansprucht, steht dem Kl. auch insoweit kein Unterlassungsanspruch zu. Insbesondere besteht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 I 2 BGB analog, Art. 2 I, Art. 1 I GG. a) Zwar beeinträchtigt die Veröffentlichung der Entscheidung mit dem Klarnamen des Kl. als Ergebnis der Abwägung mit der Informations- und Medienfreiheit der Bekl. das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl., weil kein überwiegendes öffentliches Interesse an der beruflichen und finanziellen Situation des Kl. und daran, dass das Versorgungswerk der Rechtsanwälte gegen ihn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betrieben hat, besteht. Das gilt auch, soweit man berücksichtigt, dass diese Umstände (nur) die Sozialsphäre des Kl. betreffen. Denn es handelt sich um Informationen, die geeignet sind, dem beruflichen Fortkommen des Kl. zu schaden. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für ein überwiegendes öffentliches Interesse gerade an der Person des Kl. sprechen. Am Ergebnis dieser Abwägung ändert sich auch dann nichts, wenn, wie die Bekl. vorträgt, der Beschluss in dem den Kl. betreffenden verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren öffentlich verkündet worden sein sollte. Dies gilt bereits deswegen, weil die Gerichtsöffentlichkeit eine andere ist als die Internetöffentlichkeit. b) Allerdings hat die Bekl. bei der Veröffentlichung des Beschlusses in Wahrnehmung berechtigter Interessen und damit gerechtfertigt gehandelt. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen im ZusamWahrnehmung berechtigter Interessen menhang mit einer Äußerung stellt einen Rechtfertigungsgrund nach § 193 StGB dar. Nach der Rechtsprechung des BGH wird der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB als eine Ausprägung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung im Rahmen der Prüfung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berücksichtigt und ist im Hinblick auf die Funktion der Presse im demokratischen Staat anerkannt (BGH, Urt. v. 22.12.1959 – VI ZR 175/58, BGHZ 31, 308-321 Rn. 9). Einen Anwendungsfall der Wahrnehmung berechtigter Interessen stellen sog. privilegierte Quellen dar. Verlautbarung von privilegierten Quellen darf ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden (BGH, NJW 2014, 2029 Rn. 30). Neben dem Umstand, dass amtliche Stellen an die Grundrechte gebunden sind und damit schon ihrerseits vor einer Verlautbarung eine Rechtsgüterabwägung vorzunehmen habe, liegt die Sonderbehandlung privilegierter Quellen auch darin begründet, dass Medienanbieter im Interesse der Gewährleistung einer möglichst breiten Pluralität in die Lage versetzt werden sollen, auch über solche Themen zu berichten, die – gemessen an den zur Verfügung stehenden personellen und wirtschaftlichen Ressourcen – jenseits ihres eigenen „Rechercheradius“ liegen (vgl. Korte, PresseR, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 241). Die von der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin veröffentlichten Entscheidungen stellen eine solche privilegierte Quelle dar. Solange für die Bekl. keine konkreten Zweifel daran bestanden, dass eine Veröffentlichung einer Entscheidung in ihrer Datenbank in der identischen Form, wie sie bereits in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin veröffentlicht wurde, Rechte Dritter verletzt, handelte die Bekl. gerechtfertigt und unterlag auch keiner Pflicht zur Nachrecherche (vgl. Korte, a.a.O. Rn. 244). Solche Zweifel mussten bei der Bekl. erst mit der Anfrage durch den Kl. entstehen. Hierauf ist die Bekl. unverzüglich tätig geworden und hat den Namen des Kl. aus der Entscheidung entfernt. II. Dem Kl. steht kein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die Verarbeitung der persönlichen Daten durch die Veröffentlichung des Namens des Kl. zu. 1. Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 I DSGVO kein Schadensersatzanspruch kommt nicht in Betracht. Insoweit ist Art. 82 DSGVO schon nicht anwendbar, weil die in Kapitel II der DSGVO geregelten Grundsätze der Datenverarbeitung und die in Kapitel III der DSGVO geregelten Rechte der betroffenen Person aufgrund der Bereichsausnahme des Art. 85 DSGVO für den vorliegenden Fall nicht anwendbar sind. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt es „auf der Hand, dass ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 I DSGVO nicht auf die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch eine journalistiSONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 312

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