BRAK-Mitteilungen 4/2025

vorzunehmenden Abwägung hätten die Interessen des Kl. an dem Unterbleiben der Veröffentlichung zurückzutreten. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kl. komme dabei nur ein geringes Gewicht zu, da der Beschluss des VG Berlin bereits vor dem Hinweis des Kl. v. 5.5.2023 einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei. Zudem habe er die ihn betreffenden Umstände selbst nach außen getragen. Er habe auf die Wahrung seiner Geheimhaltungsinteressen bei der Verkündung des Beschlusses verzichtet. Zudem habe er die Verfügbarkeit des Beschlusses im Internet in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin fast ein Jahr lang hingenommen. Die Veröffentlichung in der Datenbank der Bekl. habe den Rezipientenkreis nicht wesentlich erweitert. Zudem würden nur wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre des Kl. verbreitet. Vorliegend bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an dem Zusammentragen und Bündeln einer möglichst großen Anzahl an Gerichtsentscheidungen, wie es die Bekl. praktiziere. Die Bekl. könne keine frei zugängliche und umfassende Rechtsprechungsdatenbank anbieten, wenn sie jede Entscheidung individuell auf vermutliche Rechtsverletzungen überprüfen müsste. Hinzu komme, dass es angesichts des Ermessensspielraums der Justizbehörden bei der Veröffentlichung von Entscheidungen faktisch unmöglich sei, die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen nachzuvollziehen. Eine Einzelfallprüfung könne daher von ihr nicht verlangt werden. Umstände, die in öffentlich zugänglichen Datenbanken erscheinen, dürfe sie, die Bekl., nach der Rechtsprechung des BVerfG guten Glaubens verwerten, solange sie nicht erkennbar überholt oder widerrufen seien. Für den Unterlassungsanspruch fehle es auch an der Wiederholungsgefahr. Die Bekl. habe im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung durch eine staatliche Behörde gehandelt. Den Verlautbarungen amtlicher Stellen dürfe ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden. Dies gelte auch für die Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen in den Rechtsprechungsdatenbanken der Länder. Die Bekl. habe zu Grunde legen dürfen, dass die Entscheidung des Landes Berlin, den Namen des Kl. in den Gründen zu veröffentlichen, rechtmäßig gewesen sei. Dieses Vertrauen sei erst durch den Hinweis des Kl. v. 5.5.2023 erschüttert worden. Auf diesen habe sie aber sofort reagiert. Dem Kl. stehe auch der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch nicht zu. Die Zahlung einer Geldentschädigung komme bereits mangels Verschulden der Bekl. nicht in Betracht. Die Bekl. habe auf die Veröffentlichung des Landes Berlin vertraut. Sie handele zudem gemeinnützig und zum Wohle der Allgemeinheit. Auch ein Kostenerstattungsanspruch komme dem Kl. nicht zu. AUS DEN GRÜNDEN: Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. I. Dem Kl. steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Bekl. nicht zu, und zwar weder aus Art. 17 DSGVO noch aus nationalem Recht. 1. Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 17 DSGVO bekein Unterlassungsanspruch steht nicht. Die Tätigkeit der Bekl. im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen in der von der Bekl. betriebenen Rechtsprechungsdatenbank unterfällt der Bereichsausnahme des Art. 85 II DSGVO. Dies hat zur Folge, dass sich die Frage, ob dem Kl. gegen die Bekl. ein Unterlassungsanspruch zusteht, nicht nach den Regelungen der DSGVO, sondern nach dem einschlägigen nationalen Recht richtet. a) Gemäß Art. 85 II DSGVO sehen die Mitgliedstaaten für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Der Begriff des journalistischen Zwecks ist unionsrechtsautonom auszulegen. Er ist weit zu verstehen. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 153, S. 7 der DSGVO, der lautet: „Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden.“ Nach der Rechtsprechung des EuGH ist vor allem das Ziel der Veröffentlichung maßgeblich. Es kommt darauf an, ob die Veröffentlichung zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Allerdings hält auch der EuGH fest, dass nicht jegliche im Internet veröffentlichte Information unter den Begriff der journalistischen Tätigkeit falle (EuGH, GRUR 2019, 760 Rn. 59 – Buivids). Auf eine berufliche Ausübung der Tätigkeit (Berufsjournalist) kommt es allerdings ebenso wenig an wie auf eine Anbindung an eine Zeitungs- oder Rundfunkredaktion (BeckOK InfoMedienR/Cornils, 47. Ed. 1.2.2021, Art. 85 DSGVO Rn. 70). Die Einordnung von Intermediären, die keine eigenen Texte oder Inhalte veröffentlichen, sondern Inhalte Dritter verbreiten, wird differenziert beurteilt: Im Falle eines Ärztebewertungsportals hat der BGH entschieden, dass das Medienprivileg aus Art. 85 II DSGVO nicht eingreife, weil es an einer journalistisch-redaktionelle Bearbeitung der Bewertungen fehle (BGHZ 202, 242 Rn. 13 – Ärztebewertung II; BGHZ 217, 340 Rn. 10 – Ärztebewertung III). Dies begegnete Kritik, weil der Portalbetreiber im Fall Ärztebewertung III BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 310

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