sei als europarechtlich autonomer Begriff insb. im Lichte der Ziele der DSGVO auszulegen und erfordere keine besondere Erheblichkeit des eingetretenen Schadens. Bereits die erstmalige Veröffentlichung des nicht anonymisierten Beschlusstextes habe den Kl. empfindlich beeinträchtigt. Es liege auf der Hand, dass die Bekl. fahrlässig gehandelt habe. Denn es entspreche dem Pflichtenprogramm bei der Veröffentlichung potenziell persönlichkeitsrechtlich relevanter Daten, diese vor Veröffentlichung zu prüfen und, wo nötig, zu anonymisieren. Zudem werde das Verschulden der Bekl. nach Art. 82 I DSGVO vermutet. Die entsprechende Vermutung sei auch nicht widerlegt. Der Kl. hat ursprünglich gegen die Bekl. auch einen auf Art. 15 DSGVO gestützten Auskunftsanspruch geltend gemacht. Die Bekl., die die Auffassung vertreten hat, dass ein etwaiger Auskunftsanspruch des Kl. bereits vorgerichtlich erloschen sei, hat dem Kl. mit einer der Klagerwiderung beigefügten Anl. B4 Auskunft erteilt. Die Parteivertreter haben daraufhin in der mündlichen Verhandlung v. 28.3.2025 den auf Erteilung einer Auskunft gerichteten Klagantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kl. hat zuletzt beantragt, 1. Die Bekl. wird verurteilt, es zu unterlassen, personenbezogene Daten des Kl. im Zusammenhang mit dem Beschluss des VG Berlin v. 5.5.2022 zum Az. VG 12 L 25/22 im Internet zu veröffentlichen oder öffentlich verfügbar zu halten, wie geschehen bei Veröffentlichung des nicht anonymisierten Beschlusstextes des VG Berlin (Az. VG 12 L 25/22) in der Rechtsprechungsdatenbank der Bekl., abrufbar bis zum 5.5.2023 unter https://open jur.de/u/2395992.htmlund aus der Anl. K2 ersichtlich. 2. Die Bekl. wird verurteilt, an den Kl. Schmerzensgeld in angemessener Höhe, mindestens jedoch i.H.v. insgesamt 5.500 Euro, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 3. Die Bekl. wird verurteilt, an den Kl. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.375,88 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.5.2023 zu zahlen. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. Sie beruft sich darauf, dass der Kl. die in dem Beschluss enthaltenen Lebensumstände selbst in die Öffentlichkeit getragen habe, indem er am VG Berlin einen Verwaltungsrechtsstreit initiiert und darin die Umstände seiner Berufstätigkeit sowie seines Einkommens zum Gegenstand seines Vortrags gemacht habe, ohne den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Verkündung des Beschlusses zu beantragen. Damit habe der Kl. selbst die ihn betreffenden Umstände aus der Hand gegeben und auf die Wahrung seiner Geheimhaltungsinteressen verzichtet. Das VG Berlin habe seinen Beschluss öffentlich verkündet und die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz habe den Beschluss in einer nicht vollständig anonymisierten Fassung online abrufbar in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin unter gesetze.berlin.de zum freien Abruf bereitgestellt. Darin sei der Name des Kl. im Begründungsteil der Entscheidung enthalten gewesen. Diese Veröffentlichung habe sie, die Bekl., in unveränderter Form übernommen. Der Kl. habe die Veröffentlichung in der Datenbank der Senatsverwaltung Berlin über ein Jahr hingenommen, bevor er sich um die Löschung seines Namens bemüht habe. Die Nennung des Kl. in der Entscheidungsveröffentlichung spreche dafür, dass die Senatsverwaltung das Interesse der Öffentlichkeit an einem vollständigen Zugang zu der Entscheidung höher gewichtet habe als das Geheimhaltungsinteresse des Kl. Dabei könnte es auch eine Rolle gespielt haben, dass der Kl. das Verfahren selbst initiiert und die ihn betreffenden Umstände selbst vorgetragen habe. Die Entscheidungen der Senatsverwaltung Berlin seien frei abrufbar. Jeder könne die Rechtsprechungsdatenbank aufrufen und so zu den darin enthaltenen Gerichtsentscheidungen gelangen. Diese Entscheidungen aus der Datenbank würden auch bei Google indexiert, sodass sie in den Suchergebnissen auftauchen. Deswegen dürfte auch die den Kl. betreffende Entscheidung aus der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin bei Google auffindbar gewesen sein. Die Bekl. erhalte auch Gerichtsentscheidungen von Dritten oder Gerichten. Wenn dies der Fall sei, führe sie vor der Veröffentlichung eine manuelle Anonymisierung durch. Den streitgegenständlichen Beschluss indes habe sie nicht von einem Gericht oder von Dritten erhalten, sondern durch einen automatisierten Abgleich der docID aus der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin übernommen. Bei einer solchen Übernahme führe sie keine manuelle Überprüfung durch. Die Bekl. habe, nachdem sie am 5.5.2023 um 18.07 Uhr die Abmahnung des Kl. erhalten habe, – was unstreitig ist – bereits um 18:25 Uhr den Namen des Kl. aus der von ihr veröffentlichten Entscheidung entfernt. Anschließend habe die Bekl. eine Neuindexierung durch Google sowie die Entfernung aus den Google-CacheEinträgen beantragt und an demselben Abend den Kl. über die unternommenen Schritte informiert. Die technischen Vorkehrungen der Bekl. verhinderten eine weitere Veröffentlichung des Beschlusses in der Datenbank der Bekl., da diese so ausgestaltet sei, dass jede Gerichtsentscheidung nur einmal veröffentlicht werden könne. Der Unterlassungsantrag sei unbegründet. Ein von dem Kl. behaupteter Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege nicht vor. Diese Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei von vornherein nicht einschlägig. Es könne allenfalls die äußerungsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschlägig sein. Dies müsse aber in der Abwägung mit der Meinungs- und Pressefreiheit der Bekl. zurücktreten. Die Rechtsprechungsdatenbank der Bekl. sei durch die Pressefreiheit geschützt. Sie bereite deutsche und europäische Gerichtsentscheidungen auf und mache sie auf der Website openjur.de als medialem Verbreitungsweg einem unbestimmten Personenkreis zugänglich. In der BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 309
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