BRAK-Mitteilungen 4/2025

selbst, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht. Es ist daher auch ihre Sache, selbst zu beurteilen, welche Informationen sie benötigt, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer etwaigen Berichterstattung aufzubereiten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3. 2016 – 6 C 65/14, BVerwGE 154, 222 Rn. 18 f. m.w.N.). Insoweit verfängt der Vortrag der Ag., aufgrund der diskreditierenden Berichterstattung der Ast. sei es eher vorteilhaft, sie vom Beschuldigten fernzuhalten, jedenfalls sei die Möglichkeit einer Teilhabe an dieser Art von Berichterstattung nicht pauschal höher einzustufen als das Recht, sich aus freien Stücken nicht mit ihr auseinanderzusetzen, nicht, weil es sich dabei um eine unzulässige Inhaltsbewertung handelt. Die Grenze des Auskunftsinteresses der Presse ist bei personenbezogenen Informationen, die – wie hier – der Recherche dienen sollen, aber dann erreicht, wenn das Auskunftsinteresse speziell in Bezug auf diese Person im Dunkeln bleibt und so die Vermutung naheliegen muss, das Informationsverlangen erfolge insoweit „ins Blaue“ hinein. Das ist hier aber nicht der Fall. Die Ast. hat dargelegt, dass sie weiter über das Ermittlungsverfahren berichten und dafür über den Verteidiger mit dem Beschuldigten Kontakt aufnehmen möchte. Um eine unzulässige Inhaltsbewertung handelt es sich ebenso bei dem Vortrag der Ag., in jedem Fall hätte die Namenspreisgabe zur Folge, dass die Ast. – ein Boulevardmedium – von der beruflichen Bindung des Verteidigers zu einem mutmaßlichen Sexualstraftäter erfahre und dieses Wissen für unfreiwillige, eventuell unangenehme und unerwünschte sowie Mehraufwand erzeugende Fragen verwende, was nicht zu fördern sei. Denn jede Art der Selektion der Medien durch die auskunftspflichtigen staatlichen Stellen nach Seriosität und Zuverlässigkeit ist unzulässig (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.2.2023 – 7 CE 23/27, ZGI 2023, 134 Rn. 17). Im vorliegenden Einzelfall überwiegen die betroffenen privaten Geheimhaltungsinteressen des Verteidigers in Gestalt seines ebenfalls geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG nicht gegenüber dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsinteresse der Ast. Denn der mit der Beantwortung der von der Ast. gestellten Frage einhergehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verteidigers erweist sich als gerechtfertigt. Die begehrten Auskünfte zum Namen und zur Kanzleianschrift des Verteidigers beeinträchtigen zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1 Rn. 146, 149). Im Rahmen presserechtlicher Auskunftsansprüche ist allerdings – in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen – hinsichtlich der Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts danach zu unterscheiden, ob der Eingriff der Intim-, der Privat- oder der Sozialsphäre des Grundrechtsträgers zuzuordnen ist. In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient diese Unterscheidung als Orientierungspunkt für die Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und für die Gewichtung der diese Beeinträchtigung rechtfertigenden Gründe. Eingriffe in die Sozialsphäre sind unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, so dass der Persönlichkeitsschutz weniger weit reicht als in den Fällen der Betroffenheit der Intim- und Privatsphäre. Die Sozialsphäre umfasst die gesamte Teilnahme am öffentlichen Leben, also die Gegebenheiten, in denen der Einzelne in Kontakt mit anderen tritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.2018 – 7 C 5/17, NVwZ 2019, 473 Rn. 33; OVG Hessen, Urt. v. 23.2.2012 – 8 A 1303/11, ZD 2012, 285 Rn. 45; Himmelsbach, in Himmelsbach/Mann, Presserecht, 1. Aufl. 2022, § 1 Rn. 32). Ausgehend von diesen Maßgaben muss es zunächst Benur Sozialsphäre betroffen rücksichtigung finden, dass die von der Ast. begehrten Informationen lediglich die Sozialsphäre des Verteidigers betreffen. Dies ist deswegen der Fall, weil der Bezugspunkt des geltend gemachten Auskunftsanspruchs einen Aspekt aus dem Bereich seines beruflichen Wirkens zum Gegenstand hat. Ein Auskunftsinteresse an dem Namen des Verteidigers besteht allein aufgrund seiner beruflichen Beziehung zum Beschuldigten. Eine persönliche Beziehung zu dem Beschuldigten besteht hingegen nicht und es ist auch nicht zu erwarten, dass die Öffentlichkeit dies nicht erkennt bzw. missversteht. An ihm als private Person besteht augenscheinlich kein Interesse der Ast. Berührt ein presserechtlicher Auskunftsanspruch lediglich die Sozialsphäre eines Betroffenen, muss der jeweilige Betroffene – und somit vorliegend auch der Verteidiger – den hiermit einhergehenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich hinnehmen, soweit mit der Offenlegung der nachgefragten Informationen keine unzulässige Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung verbunden ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 3.5.2017 – 15 B 457/17, ZD 2017, 587 Rn. 46). Für eine derartige Beeinträchtigung ist hier entgegen dem Vortrag der Ag. nichts ersichtlich oder substantiiert dargetan. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus den Straftaten, derer der Beschuldigte verdächtig ist, da der Öffentlichkeit klar sein dürfte, dass ein Beschuldigter im Falle des Vorwurfs eines Verbrechens notwendigerweise einen Verteidiger haben muss (§ 140 StPO). Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Verteidiger erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung seiner Sicherheit durch Übergriffe Dritter drohen. Demgegenüber ist, wenn es – wie hier – um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat geht, zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 305

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