BRAK-Mitteilungen 4/2025

Am 21.1.2025 bat ein Journalist der Ast. die Ag. telefonisch „um Mitteilung, wer der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin des Beschuldigten“ in einem Ermittlungsverfahren, über das die Ast. bereits berichtet hatte, ist. Dies lehnte die Ag. ab. Mit E-Mails v. 23.1.2025 und 3.2.2025 wiederholte die Ast. ihr Begehren, woraufhin die Ag. den Antrag mit E-Mail v. 5.2.2025 erneut ablehnte. Die Entscheidung beruhe auf einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Ast. auf der einen und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Verteidigers auf der anderen Seite. Abgesehen davon stünde es ihr – der Ast. – jederzeit frei, sich direkt an den ihr offenbar namentlich bekannten Beschuldigten zu wenden. Daraufhin fragte die Ast. mit E-Mail vom selben Tag, ob die Presse Telefon- oder Besuchstermine für Gespräche mit Untersuchungshäftlingen anfragen könne und wenn ja: ob dies bei der Staatsanwaltschaft Hamburg oder bei der Untersuchungshaftanstalt beantragt werden könne. Eine weitere Reaktion seitens der Ag. erfolgte nicht. Am 7.2.2025 hat die Ast. um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt, der Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Ast. Auskunft auf folgende Fragen zu geben: 1. Wer ist der Rechtsanwalt des Beschuldigten H.M.? 2. Kann die Presse neuerdings Telefon- oder Besuchstermine für Gespräche mit Untersuchungshäftlingen anfragen? Wenn ja: wo? Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg oder bei der Untersuchungshaftanstalt? Mit Beschluss v. 14.2.2025 hat das Verwaltungsgericht die Ag. im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Ast. den Namen und die Kanzleianschrift des Verteidigers des Beschuldigten zu nennen. Im Übrigen ist der Antrag abgelehnt worden. Die Ast. habe im Hinblick auf den Antrag zu 1) mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit einen Auskunftsanspruch nach § 4 I HmbPresseG, dem der Auskunftsverweigerungsgrund des § 4 II Nr. 3 HmbPresseG nicht entgegenstehe. Hinsichtlich der Preisgabe der Person des Verteidigers des Beschuldigten schon während des Ermittlungsverfahrens seien keine schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten oder des Verteidigers ersichtlich. Ein Recht auf „Ungestörtsein“ des Verteidigers während des Ermittlungsverfahrens sei nicht erkennbar. Auch ein Anordnungsgrund liege vor. Die Ast. habe ein hinreichendes öffentliches Interesse im Hinblick auf einen Gegenwartsbezug nachvollziehbar dargelegt. Im Hinblick auf den Antrag zu 2) habe die Ast. hingegen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es sei nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe als Presseorgan noch eine Auskunft über die Möglichkeit einer direkten Kontaktaufnahme ohne Einschaltung des Verteidigers benötige. Hiergegen richten sich die jeweiligen Beschwerden der Ag. und der Ast. II. Die zulässigen Beschwerden gegen den Beschluss des VG Hamburg v. 14.2.2025 haben keinen Erfolg. 1. Die Beschwerde der Ag., mit der sie sich gegen ihre Verpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung, der Ast. den Namen und die Kanzleianschrift des Verteidigers des Beschuldigten zu nennen, richtet, hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung (§ 146 IV 3 und 6 VwGO) gibt Anlass, die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung umfassend zu prüfen. Die Ag. hat die tatsächliche Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei bereits kein Recht auf „Ungestörtsein“ des Verteidigers des Beschuldigten während des Ermittlungsverfahrens erkennbar (BA S. 5), mit erheblichen Argumenten in Zweifel ziehen können. Sie verweist zutreffend darauf, dass das Verwaltungsgericht bei der Feststellung, ob das Persönlichkeitsrecht des Verteidigers vorliegend betroffen ist, einen fehlerhaften Maßstab angewendet hat. Selbst einem in amtlicher Funktion im Rahmen einer Strafgerichtsverhandlung mitwirkenden Verteidiger stehe – wenn auch nur gemindert – weiterhin das allgemeine Persönlichkeitsrecht zur Seite, welches in einem nächsten Schritt mit dem Informationsinteresse der Presse abgewogen werden müsse. Demzufolge könne einem Verteidiger im Stadium des nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens – wie hier – nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht per se abgesprochen werden. Damit ist das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet, über die Beschwerde ohne die aus § 146 IV 6 VwGO folgende Beschränkung auf die Beschwerdebegründung zu entscheiden. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Denn der zulässige einstweilige Rechtsschutzantrag der Ast. ist im Hinblick auf die von ihr aufgeworfene Frage zu 1) begründet. Nach § 123 I 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis möglich, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gem. § 123 III VwGO i.V.m. § 920 II ZPO, dass der Ast. Umstände glaubhaft macht, aufgrund derer er dringend auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen ist (Anordnungsgrund) und aus denen er in der Hauptsache einen Anspruch herleitet (Anordnungsanspruch). Die von der Ast. erstrebte Verpflichtung der Ag. zur Auskunftserteilung stellt sich jedoch als eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient grundsätzlich nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Ast. soll hier regelmäßig nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Daher kann in Fällen der hier vorliegenden Art dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 IV GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 302

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