Weiteres auf dem Umweg über eine Presseauskunft der ermittelnden Staatsanwaltschaft erlangt werden könnten. Sobald im Fall einer Anklageerhebung die erste Hauptverhandlung stattfindet, wird dort auch der Presse der Name des Verteidigers genannt werden, da aufgrund § 169 GVG eine Hauptverhandlung öffentlich ist. Im Umkehrschluss folgt demgegenüber für das gerade nicht-öffentliche Ermittlungsverfahren, dass die verfassungsrechtlich verbürgten Schutzrechte aus § 43a II 1 BRAO des Verteidigers und des Beschuldigten in diesem Stadium eines Strafprozesses überwiegen. Zutreffend ist daneben zwar die allgemeine Feststellung des Bevollmächtigten des Ast., dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen. Jedoch wurde, um diesem anzuerkennenden Interesse der Öffentlichkeit gerecht zu werden, bereits eine recht umfassende Pressemitteilung des Polizeipräsidiums M. und darüber hinaus am 15.5.2025 von Staatsanwaltschaft M. und Polizei eine Pressekonferenz veranstaltet. Dort wurden der Presse umfassende Informationen zur Verfügung gestellt, die es verschiedenen Zeitungen, deren Artikel der Bevollmächtigte des Ast. in seiner Antragsschrift in Bezug genommen hat, ohne Weiteres ermöglicht haben umfassend zu berichten. Inwiefern die Nennung des Namens des Verteidigers des Beschuldigten, des 29-jährigen Manns, im Ermittlungsverfahren vor diesem Hintergrund im vorliegenden Einzelfall aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Pressefreiheit noch geboten wäre, ist nicht erkennbar. Zu guter Letzt ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der 29-jährige Beschuldigte offenbar aufgrund vorläufiger psychiatrischer Unterbringung als besonders vulnerabel anzusehen ist. Insoweit ist das Vertrauensverhältnis und damit auch das Mandatsgeheimnis zwischen seinem Verteidiger und ihm im vorliegenden Einzelfall als besonders schützenswert anzusehen, was auch gegen eine Weitergabe des Namens des Verteidigers an den Ast. spricht. Sofern sich der Bevollmächtigte des Ast. zur Geltendmachung seines Auskunftsanspruchs neben Art. 4 I 1 BayPrG auf Art. 5 I GG und Art. 10 EMRK beruft, ergibt sich nichts Anderes. Auch im Rahmen der Prüfung eines möglichen Auskunftsanspruchs aus Art. 5 I GG und Art. 10 EMRK ist eine der oben vorgenommenen Abwägung entsprechende Entscheidung zu treffen, die zu keinem anderen Ergebnis führt. b) Ob der Ast. einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat und ob eine Vorwegnahme der Hauptsache vorliegt, ist nach alldem nicht mehr entscheidungserheblich. Hinsichtlich des Vorliegens des Anordnungsgrunds hat das Gericht jedoch einige Zweifel, da die in Rede stehende Straftat offensichtlich seit Mitte Mai 2025 kein gesteigertes bzw. keinerlei Interesse der Öffentlichkeit mehr erfährt und damit der erforderliche Gegenwartsbezug nicht gegeben sein dürfte. Weder haben die Zeitung des Ast. noch eine andere Zeitung – soweit ersichtlich – in letzter Zeit über das Verfahren berichtet, noch scheint der Ast. selbst von einer besonderen Eilbedürftigkeit auszugehen. Nachdem dem Ast. vom Ag. nach Ablauf der Frist am 20.5.2025 keine Auskunft erteilt worden war, hat er erst am Abend des 6.6.2025, einem Freitag, seine Antragsschrift bei Gericht eingereicht. (...) HINWEISE DER REDAKTION: Vergleiche zu diesem Thema auch die nachfolgende Entscheidung des OVG Hamburg, das in einem anderen Fall einen presserechtlichen Auskunftsanspruch im Hinblick auf den Namen eines Verteidigers im Ermittlungsverfahren bejaht hat. PRESSERECHTLICHER AUSKUNFTSANSPRUCH ÜBER NAMEN EINES VERTEIDIGERS HmbPresseG § 4 I und II Nr. 3 1. Anders als im Stadium des gerichtlichen Verfahrens ist das Persönlichkeitsrecht des Verteidigers im Stadium des Ermittlungsverfahrens nicht gemindert. 2. Ein Grundsatz, dass die Schutzrechte des Verteidigers im Stadium des Ermittlungsverfahrens überwiegen, besteht nicht. Vielmehr hat jeweils eine Abwägung im Einzelfall stattzufinden. 3. Im vorliegenden Einzelfall überwiegen die betroffenen privaten Geheimhaltungsinteressen des Verteidigers in Gestalt seines geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG nicht gegenüber dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsinteresse des Pressevertreters. OVG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25 AUS DEN GRÜNDEN: I. Die Antragstellerin – ein Presseunternehmen – begehrt Auskunft zu dem Namen des Verteidigers des Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens und zu der Frage, ob und ggfs. wie sie zu einer in Untersuchungshaft befindlichen Person direkt Kontakt aufnehmen kann. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 301
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