BRAK-Mitteilungen 4/2025

heimhaltungsinteressen würden nicht gegenüber dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsinteresse des Ast. überwiegen. Wenn es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat gehe, sei im Rahmen der Abwägung insb. zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehörten, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründeten grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Das Mandantengeheimnis aus § 43a II 1 BRAO sei vorliegend schon nicht betroffen. Denn ihrer Bedeutung nach bedürfe die Verteidigerstellung des Rechtsanwalts an sich keiner Geheimhaltung. Insbesondere in Fällen der Pflichtverteidigung gem. § 140 StPO beruhe die Beauftragung des Strafverteidigers nicht auf einem rein privaten Entscheidungsakt, sondern aufgrund gesetzlicher bzw. gerichtlicher Beiordnung. Auch hinsichtlich der Identität des Verteidigers bestehe keine besondere Geheimhaltungspflicht. Diesbezüglich müsse zunächst Berücksichtigung finden, dass die von dem Ast. begehrten Informationen lediglich den Namen des Verteidigers beträfen. Eine persönliche Beziehung des Verteidigers zu dem Beschuldigten bestehe hingegen nicht. An dem Verteidiger des Beschuldigten als privater Person bestehe kein Interesse des Ast. Selbst wenn eine Betroffenheit des Mandantengeheimnisses anzunehmen wäre, überwiege nach der bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen stets erforderlichen Abwägung im Einzelfall vorliegend das Auskunftsinteresse des Ast. Denn ein etwaiger, mit der Beantwortung der gestellten Frage einhergehender Eingriff in das Mandantengeheimnis erweise sich als gerechtfertigt. Dessen Rechtsstellung als Verteidiger entstehe kraft gesetzlicher Beiordnung, nicht kraft privaten Willensakts. Der Ag. beantragt, der Antrag wird abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, nach Art. 4 I 1 Bay PrG habe die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Die Auskunft dürfe nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht bestehe. Die Mitteilung des Namens des Verteidigers stelle einen Verstoß gegen Art. 4 II 2 BayPrG, denn die Verschwiegenheitspflicht gem. § 43a II BRAO sei eine solche gesetzliche Vorschrift. Die Entscheidung, welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter nehme, sei Teil des Mandantengeheimnisses, das nicht ohne dessen Zustimmung durch Justizpressesprecher gelüftet werden dürfe. Die berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten für deutsche Rechtsanwälte erstreckten sich auch auf die Namen der Klienten. Wenn aber ein Rechtsanwalt zur Wahrung der Rechte seines Mandanten nicht ohne Weiteres dessen Namen nennen dürfe, könne dies nicht dadurch ausgehebelt werden, dass eine Justizpressestelle das Mandantenverhältnis zwischen Verteidiger und Mandanten offenlegen dürfe oder müsse. Das Mandatsgeheimnis bestehe nicht im alleinigen Interesse des Mandanten, sondern auch des Anwalts und sogar auch im Interesse der Öffentlichkeit. Mandanten könnten von der Inanspruchnahme rechtlicher Beratung oder Verteidigung abgehalten werden, müssten sie befürchten, dass vom Anwaltsgeheimnis erfasste Umstände an die Presse kommuniziert würden. Es überzeuge nicht, dass die seitens des Ast. genannte Entscheidung des OVG Hamburg sich fast ausschließlich mit dem Persönlichkeitsrecht des Verteidigers auseinandersetze, nicht jedoch mit dem für die Beziehung zwischen Strafverteidiger und Beschuldigten essenziellen Mandantengeheimnis. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen. II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 I VwGO hat keinen Erfolg. Nach § 123 I 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch nach § 123 I 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustands, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Ast. abzuwenden. Dabei hat ein Ast. sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 III VwGO i.V.m. §§ 920 II, 294 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Die Voraussetzungen des § 123 I 2 VwGO liegen nicht vor, da der Ast. schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 III VwGO i.V.m. §§ 920 II, 294 I ZPO). a) Ein Anordnungsanspruch auf presserechtliche Auskunft in Form der Nennung des Namens des Verteidigers des Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens im Tötungsdelikt hinsichtlich eines 59-jährigen Manns am 13.5.2025 im Stadtteil F. ergibt sich nicht aus Art. 4 I 1 BayPrG. Nach Art. 4 I 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben (Art. 4 I 2 BayPrG). Das Recht auf Auskunft kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden (Art. 4 II 1 Bay PrG). Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht (Art. 4 II 2 BayPrG). Vorliegend besteht ein Recht zur Auskunftsverweigerung des Ag. nach Art. 4 II 2 BayPrG, da die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des § 43a II 1 BRAO betroffen ist. SONSTIGES BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 299

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