BRAK-Mitteilungen 4/2025

Verfahren, in denen sie nicht in beruflicher Funktion aufträten, von der Nutzungspflicht ausgenommen würden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn solche Verfahren, wie die Rechtsbeschwerde unter Heranziehung und Interpretation öffentlich zugänglicher Statistiken darlegt, nur etwa 0,2 % der Gesamtzahl aller Gerichtsverfahren ausmachen sollten, hätte dies entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht zur Folge, dass die statusbezogene, von der konkreten Rolle im Verfahren unabhängige Einbeziehung der Rechtsanwälte in die ERV-Nutzungspflicht als eine zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks des § 130d S. 1 ZPO nicht geeignete oder nicht erforderliche Maßnahme anzusehen wäre. Denn auch eine Mehrbelastung der Gerichte mit in Papier zu bearbeitenden Verfahren durch entsprechenden Druck- und Scanaufwand von (lediglich) 0,2 % liefe dem mit der Verpflichtung für alle Rechtsanwälte zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten verfolgten Ziel, solche Druck- und Scanvorgänge künftig zu vermeiden, zuwider. [27] Dass der von der Rechtsbeschwerde so bezeichnete „Hebel- und Multiplikatoreffekt“ der Nutzungspflicht für Rechtsanwälte in deren beruflicher Kommunikation mit den Gerichten größer ist als bei privat von Rechtsanwälten geführten gerichtlichen Verfahren, trifft zwar unbestreitbar zu. Weder dem Gesetz noch den Materialien lässt sich aber entnehmen, dass es dem Gesetzgeber allein auf diesen Effekt ankam. Der Umstand, dass Rechtsanwälte aufgrund ihres beruflichen Status ohnehin ein beA vorhalten müssen, spricht jedenfalls dafür, sie bei jeglicher Kommunikation mit den Gerichten der Nutzungspflicht zu unterwerfen, weil anderenfalls der mit dem Gesetz verfolgte Zweck in einer geringeren Zahl von Verfahren erreicht würde. [28] (5) (a) Zu berücksichtigen ist auch, dass die DiffeDifferenzierung nach Rollen unpraktikabel renzierung nach Rollen absehbar Rechtsunsicherheiten mit sich brächte, insb. wenn der Rechtsanwalt im Laufe des Verfahrens teilweise als solcher und teilweise als Privatperson auftritt. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Denn der Beschwerdeführer hatte sich zunächst selbst anwaltlich vertreten, sodann durch einen (anderen) Rechtsanwalt vertreten lassen und schließlich mitgeteilt, nur noch privat in eigener Sache tätig zu sein. Gleichwohl hat er die Beschwerdebegründungen – anders als die Beschwerdeschrift selbst – über sein beA bei Gericht eingereicht, nach eigenen Angaben „um dem Gericht und den anderen Beteiligten die elektronische Bearbeitung zu ermöglichen“ und „obwohl der Bf vorliegend nicht in Ausübung seines Berufes handelt“. Hier kann – weil es bei einem statusbezogenen Verständnis von § 130d S. 1 ZPO nicht darauf ankommt – dahinstehen, ob die von der Rechtsbeschwerde mit einer Verfahrensrüge angegriffene Würdigung des Beschwerdegerichts zutrifft, der Beschwerdeführer habe seine private und anwaltliche Tätigkeit im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend voneinander abgegrenzt. Jedenfalls belegen die geschilderten Abläufe beispielhaft, dass ein rollenbezogenes Verständnis von § 130d S. 1 ZPO zu neuen Rechtsunsicherheiten führen würde, die sich mit einem statusbezogenen Verständnis vermeiden lassen. Diesen Unsicherheiten ließe sich zwar, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, mittels einer Obliegenheit der Rechtsanwälte, hinreichend deutlich zu machen, dass sie ausschließlich privat auftreten, teilweise begegnen; ganz auszuschließen wären sie aber auch dadurch nicht. Die Annahme einer generellen Nutzungspflicht der Rechtsanwälte hat die Vorteile einer einfachen und klaren Regelung für sich. [29] (b) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, gerade die „Ausweitung“ des Anwendungsbereichs des § 130d ZPO auf den privaten Bereich eines Rechtsanwalts hätte erhebliche Rechtsunsicherheiten und Mehraufwand für die Gerichte zur Folge, da bei jedem einzelnen Beteiligten, der Schriftsätze nicht über das beA einreiche, von Amts wegen geprüft werden müsste, ob eine Zulassung als Rechtsanwalt vorliege, trifft dies so nicht zu. Zwar hat das Beschwerdegericht nach § 572 II 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gericht verpflichtet wäre, auch ohne Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte von sich aus zu ermitteln, ob der das Rechtsmittel in Papierform einreichende Rechtsmittelführer über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt. Prüfung von Amts wegen bedeutet nicht Amtsermittlung der Tatsachen und Ausforschung der Wahrheit wie beim Untersuchungsgrundsatz, sondern nur eine umfassende Prüfung des dem Gericht vorliegenden oder offenkundigen Prozessstoffs (vgl. Senat, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 173/87, NJW 1989, 2064, 2065; BGH, Beschl. v. 12.1.2020 – IV ZB 29/18, FamRZ 2020, 768 Rn. 9 m.w.N.). [30] dd) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch keine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung von § 130d S. 1 ZPO dahingehend geboten, dass die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen auf ein privates Handeln des Rechtsanwalts (generell) keine Anwendung findet. Die gesetzliche Regelung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grund- und Menschenrechten, wenn sie dahin ausgelegt wird, dass er verpflichtet war, den Beschwerdeschriftsatz in dem ihn betreffenden Teilungsversteigerungsverfahren elektronisch an das Gericht zu übermitteln. [31] (1) Ob die Verpflichtung des Rechtsanwalts, den ERV auch dann zu nutzen, wenn er als Beteiligter in einem ihn privat (also gerade nicht beruflich) betreffenden Teilungsversteigerungsverfahren ein Rechtsmittel einlegt, überhaupt in die durch Art. 12 I GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eingreift, kann dahinstehen. Jedenfalls wäre der Eingriff nicht unverhältnismäßig. [32] (a) Die Nutzungspflicht findet ihre gesetzliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 141, 82 Rn. 47) in § 130d S. 1 ZPO. Dass die Vorschrift selbst keine Regelungen zum Status des Rechtsanwalts trifft, sondern diesen – insb. in der BundesrechtsanwaltsordELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 291

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