BRAK-Mitteilungen 4/2025

zur Nutzung des beA im privaten Bereich verpflichten würde, trifft nicht zu. Die Norm verpflichtet lediglich zur Übermittlung schriftlicher Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument. Hierfür stehen nach § 130a ZPO verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Zwar mag es für den Rechtsanwalt naheliegen, das ihm für seine berufliche Tätigkeit zur Verfügung stehende und aus der beruflichen Praxis geläufige beA auch in privaten Verfahren zu nutzen. Die leichte Verfügbarkeit dieser Übermittlungsform für Rechtsanwälte lässt die Nutzungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Aufwands und des einfachen Zugangs zur Rechtsmittelinstanz auch als nicht besonders schwerwiegenden Eingriff erscheinen. Eine Verpflichtung zur Nutzung des beA trifft ihn aber nicht. So ist es dem Rechtsanwalt, etwa wenn er eine Kenntnisnahme durch Kanzleimitarbeiter verhindern möchte, namentlich unbenommen, für die elektronische Kommunikation mit Gerichten in privat geführten Verfahren ein sog. De-Mail-Konto einzurichten und dieses unter den in § 130a IV 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu nutzen. Überdies steht es dem Rechtsanwalt, der die Nutzung des beA in privaten Angelegenheiten vermeiden will, in den hier allein relevanten, in erster Instanz nicht dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren frei, die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen (§ 569 III Nr. 1 ZPO). [20] (bb) Im Übrigen lässt sich den auf das beA bezogenen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht entnehmen, dass das beA von dem Rechtsanwalt ausschließlich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit genutzt werden dürfte. Dies lässt sich auch nicht daraus schließen, dass das Gesetz zur privaten Nutzung schweigt, denn ein Verbot bedürfte – wenn es überhaupt zulässig wäre – einer ausdrücklichen Regelung. Im Übrigen zeigt sich etwa an der in § 43 BRAO getroffenen Regelung über die allgemeinen Berufspflichten des Rechtsanwalts, dass sich aus der Stellung als Rechtsanwalt auch Pflichten im privaten Bereich ergeben können (vgl. zum Begriff der sog. „Statuspflichten“ etwa Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 43 BRAO Rn. 7). Soweit die Rechtsbeschwerde dem entgegenhält, solche Pflichten seien, soweit vom Gesetzgeber gewollt, ausdrücklich normiert, mag dies für den rein privaten Bereich zutreffen. Bei der Nutzungspflicht aus § 130d S. 1 ZPO geht es aber von vornherein nur um Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt bei Gericht eingereicht werden, d.h. um eine Tätigkeit, die zwar im Einzelfall aufgrund der Betroffenheit in eigener Sache einen privaten Bezug haben mag, für sich genommen aber eine berufstypische Tätigkeit der Rechtsanwälte darstellt. Daher wäre im Gegenteil systematisch eher zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber als privat gekennzeichnete Schriftsätze von Rechtsanwälten in eigener Sache ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnimmt, wenn dies gewollt gewesen wäre. [21] (c) Anderes folgt auch nicht aus § 173 II Nr. 1 ZPO (= § 173 II 2 ZPO a.F.). Der Regelung ist kein allgemeiner Rechtsgedanke der Rollenbezogenheit der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr zu entnehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn. 18 entgegen ArbG Stuttgart, BeckRS 2022, 18879 Rn. 14). [22] (3) Der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich, wie Gesetzgebungsgeschichte unergiebig der BGH bereits mehrfach ausgeführt hat, für die Beurteilung der Frage nach einer rollen- oder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 16; Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn. 19; Beschl. v. 4.4.2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 225 Rn. 24). [23] (4) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, spricht entscheidend für ein weites, statusbezogenes Verständnis von § 130d S. 1 ZPO über seinen umfassenden Wortlaut hinaus der Zweck der Norm. [24] (a) Der Zweck der Regelung besteht ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs darin, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte (und Behörden) zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den ERV zu etablieren. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei einer freiwilligen Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden insb. bei den Gerichten führte. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn dann nicht die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung sichergestellt sei (BT-Drs. 17/12634, 27). [25] (b) Dieser Gesetzeszweck lässt es nur konsequent Gesetzeszweck erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 173 II Nr. 1 ZPO, § 31a BRAO), generell in die Nutzungspflicht einzubeziehen, also auch dann, wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind (vgl. zu § 14b FamFG BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 428/22, NJW-RR 2023, 1233 Rn. 13; Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 Rn. 20; zu Rechtsmitteln des anwaltlichen Insolvenzverwalters BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, NJW 2023, 525 Rn. 16). Dies gilt ebenso, wenn der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird (vgl. zu § 52d S. 4 FGO BFHE 276, 566 Rn. 3), und zwar jedenfalls für Rechtsmittel im Teilungsversteigerungsverfahren auch dann, wenn der Rechtsanwalt in dem ihn selbst betreffenden Verfahren nicht als Rechtsanwalt auftritt (vgl. allgemein zu Zwangsvollstreckungsverfahren BGH, Beschl. v. 4.4. 2024 – I ZB 64/23, NJW 2024, 225 Rn. 25). [26] (c) Der Einwand der Rechtsbeschwerde, es hätte auf die Arbeitsbelastung der Gerichte keinen messbaren Einfluss, wenn von Rechtsanwälten privat geführte BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 290

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