BRAK-Mitteilungen 4/2025

der in Deutschland niedergelassene der Nutzungspflicht des § 130d S. 1 ZPO unterliegt. § 130d ZPO soll für Rechtsanwälte und andere vertretungsberechtigte Personen, soweit ihnen ein spezieller, sicherer Übermittlungsweg zu den Gerichten zur Verfügung steht, die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr mit Gerichten verpflichtend machen (vgl. BT-Drs. 17/2634, 20). Eine von der Nutzungspflicht entbindende Ausnahmevorschrift enthalten die Regelungen des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland nicht. § 27a I 1 EuRAG sieht vielmehr vor, dass der dienstleistende europäische Rechtsanwalt die Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs beantragen kann. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Gesetzgeber im Blick auf die am 1.1.2018 eingetretene passive Nutzungspflicht alle im Zivilprozess auftretenden Anwälte, somit auch dienstleistende europäische Rechtsanwälte, für verpflichtet hielt, einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen (vgl. BT-Drs. 18/9521, 156). Deshalb sollte auch für dienstleistende europäische Rechtsanwälte die Möglichkeit geschaffen werden, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet zu bekommen (vgl. BT- Drs. 18/9521, a.a.O.). [34] Was für die passive Nutzungspflicht gilt, findet im Grundsatz Anwendung auch auf die seit dem 1.1.2022 geltende aktive Nutzungspflicht. Die im Allgemeinen von den Art. 56 ff. AEUV und im Besonderen durch die Richtlinie des Rates 77/249/EWG v. 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. EG L 78, S. 17) geschützte Dienstleistungsfreiheit steht dem nicht entgegen. Dem europäischen Rechtsanwalt muss lediglich ermöglicht werden, unter den für die in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte geltenden Bedingungen tätig zu werden (vgl. Art. 57 III AEUV; Art. 4 I der RL 77/249/EWG; EuGH, Urt. v. 18.5.2017 – C-99/16, NJW 2017, 3285 Rn. 24 f.). Deshalb setzen sich Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht – die Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Vermeidung erheblicher Druck- und Scanaufwände bei Gerichten und bei Rechtsanwälten (vgl. BT-Drs. 17/ 12634, 27) – auch im Blick auf die Tätigkeit des dienstleistenden europäischen Rechtsanwalts durch. [35] (c) Im Streitfall muss nicht entschieden werden, ob die Dienstleistungsfreiheit Ausnahmen von der aktiven Nutzungspflicht (§ 130d ZPO) für dienstleistende europäische Rechtsanwälte gebietet. Ob diesen stets zugemutet werden kann, eine Möglichkeit zur Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten oder dies die Ausübung ihrer Dienstleistungsfreiheit im Einzelfall behindert oder weniger attraktiv macht (vgl. EuGH, Urt. v. 18.5.2017 – C-99/16, NJW 2017, 3285 Rn. 26), muss nicht beantwortet werden. Ein Sachverhalt, der die Annahme einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nahelegen könnte, die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre (vgl. EuGH, Urt. v. 18.5.2017, a.a.O. Rn. 34 ff.), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. [36] III. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 V 1 ZPO). Die Erstbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. HINWEISE DER REDAKTION: Wer als europäischer Rechtsanwalt lediglich gelegentlich in Deutschland tätig werden möchte, gilt als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt (vgl. §§ 25 ff. EuRAG). Auch ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt hat die umfassende Befugnis, auf dem Gebiet des deutschen Rechts rechtsberatend tätig zu werden. § 27 EuRAG regelt dessen Rechte und Pflichten, insb. die Geltung des deutschen Berufsrechts sowie die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Für dienstleistende europäische Rechtsanwälte gilt allerdings die Einschränkung des § 28 I EuRAG. Danach dürfen dienstleistende europäische Rechtsanwälte in gerichtlichen Verfahren sowie in behördlichen Verfahren wegen Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Dienstvergehen oder Berufspflichtverletzungen, in denen der Mandant nicht selbst den Rechtsstreit führen oder sich verteidigen kann, als Vertreter oder Verteidiger eines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt (sog. Einvernehmensanwalt) handeln. ELEKTRONISCHE ÜBERMITTLUNG EINES SCHRIFTSATZES DURCH ALS PRIVATPERSON AUFTRETENDEN RECHTSANWALT ZPO § 130d S. 1 Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel (hier: Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung) einlegt. BGH, Beschl. v. 27.3.2025 – V ZB 27/24 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Die Beteiligten sind Miteigentümer der im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücke. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 hat das AG die Zwangsversteigerung der Grundstücke zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft angeordnet; dem Verfahren ist der Beteiligte zu 2 beigetreten. Mit Beschluss v. 4.9. 2023 hat das AG den Verkehrswert für die Grundstücke festgesetzt. [2] Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2 (nachfolgend Beschwerdeführer), der Rechtsanwalt ist ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 287

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