se Rechtsgrundlage den Anforderungen an Zugänglichkeit, Vorhersehbarkeit und Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit genügt. Das betreffende Gesetz muss für die betroffene Person klar und verständlich sein und ihr ermöglichen, die rechtlichen Konsequenzen des Eingriffs vorherzusehen. * 3. Dem berufsbezogenen Vertrauensverhältnis – insbesondere dem anwaltlichen Berufsgeheimnis – ist besonderes Gewicht beizumessen, da es untrennbar mit der Rolle von Rechtsanwälten in der Rechtspflege sowie mit dem Recht des Mandanten auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK verknüpft ist. Dieser Schutz gilt sinngemäß auch für andere rechtsberatende Berufe, etwa Notare, sofern sie mit vertraulichen Informationen ihrer Klienten umgehen, die dem Berufsgeheimnis unterliegen. * 4. Soweit nationale Rechtsvorschriften es den Behörden gestatten, Durchsuchungen ohne vorherige richterliche Anordnung durchzuführen, verlangt Art. 8 EMRK besonders strenge verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen. Eine Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft erfüllt nicht die Anforderungen an eine unabhängige gerichtliche Kontrolle im Sinne der EMRK. EGMR, Urt. v. 29.4.2025 – Beschwerdenummer 49617/22 Volltext in englischer Sprache unter https://hudoc.echr. coe.int. HINWEISE DER REDAKTION: Mit dieser Entscheidung betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erneut, dass der Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK nicht nur auf private Wohnräume beschränkt ist, sondern ausdrücklich auch beruflich genutzte Räume wie Kanzleien und Notariatsbüros umfasst. Der Gerichtshof hob hervor, dass Durchsuchungen solcher Räumlichkeiten einen besonders intensiven Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz darstellen können – insb. soweit berufsbezogene Vertrauensverhältnisse betroffen sind. Der EGMR unterstrich in diesem Zusammenhang die besondere Bedeutung des anwaltlichen Berufsgeheimnisses als tragendes Element rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien und wies ausdrücklich darauf hin, dass dieser Schutz sinngemäß auch für andere rechtsberatende Berufe gilt. Nach Ansicht des EGMR begründet insb. das Fehlen einer richterlichen Vorabkontrolle bei der Anordnung von Durchsuchungsmaßnahmen eine erhebliche Gefahr willkürlicher Eingriffe. In Konstellationen, in denen eine gerichtliche Genehmigung nicht gesetzlich vorgesehen ist, müssen nach Auffassung des Gerichtshofs alternative verfahrensrechtliche Schutzmechanismen vorhanden sein, die eine wirksame Kontrolle sowohl der Anordnung als auch der Durchführung der Maßnahme gewährleisten. Der bloße Rückgriff auf eine staatsanwaltschaftliche Anordnung genüge den konventionsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn weder eine vorherige richterliche Kontrolle noch eine effektive nachträgliche Überprüfung möglich ist. Damit erfordert der Schutz der berufsbezogenen Vertraulichkeit und die Abwehr staatlicher Zugriffe auf sensible Mandatsdaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hohe rechtsstaatliche Sicherungsstandards. Das Urteil stärkt in diesem Sinne die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses in rechtsberatenden Berufen und konkretisiert die verfahrensrechtlichen Anforderungen an staatliche Eingriffe in geschützte Berufsausübungssphären. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN VERSTOSS GEGEN VERBOT DER MEHRFACHVERTRETUNG BRAO §§ 43a IV, 43; StPO § 146 * 1. Ein Verstoß gegen das Mehrfachvertretungsverbot gem. § 146 StPO stellt nicht stets einen Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a IV BRAO dar. * 2. Von der strafprozessualen Beurteilung ist stets die berufsrechtliche Beurteilung zu trennen, da der Anwendungsbereich der in Betracht kommenden Vorschriften nicht deckungsgleich ist. * 3. Bei der Anwendung des § 43 BRAO (Generalklausel) ist zurückhaltend vorzugehen. Insbesondere kann diese Vorschrift nicht als Auffangtatbestand zum Zweck der Ahndung von beruflichen Pflichtverletzungen subsidiär herangezogen werden, wenn der Gesetz- oder Satzungsgeber bewusst auf eine Statuierung einer Berufspflicht verzichtet hat. Bayerischer AGH, Beschl. v. 28.4.2025 – BayAGH II-3-1/24 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Weder die BRAO noch die BORA enthalten allgemeine oder spezielle Regelungen, die die „Beteiligung“ einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts an einem Berufsrechtsverstoß betreffen. Die Berufspflichten müssen nach § 113 I BRAO ihre Rechtsgrundlage in der BRAO oder BORA haben (vgl. hierzu Bayerischer AGH, BRAK-Mitt. 2024, 305). BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 275
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0