TECHNISCHE ANWALTSPFLICHTEN BEI PLÖTZLICHEM AUSFALL DER INTERNET-VERBINDUNG Von einem Rechtsanwalt als professionellem Anwender kann erwartet werden, dass er diejenigen ganz einfachen, ohne besondere technische Kenntnisse auch von Laien umsetzbaren und weitgehend allgemein geläufigen Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung einer Internetverbindung kennt und ergreift. Dazu gehört nicht nur das Aus- und Einschalten des Routers und des Computers sowie die Überprüfung von dessen Internet- und Netzwerkeinstellungen, sondern auch die Kontrolle, ob die Netzwerkkabel am Router und (bei einer LAN-Verbindung) am Computer noch richtig eingesteckt sind. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 24.4.2025 – III ZB 12/24, NJW-RR 2025, 757 Eine Berufungsbegründung war hier erst am Morgen nach Fristablauf gegen 07:20 Uhr beim OLG eingegangen. Die Anwältin machte per Wiedereinsetzungsantrag geltend, sie habe den Schriftsatz um kurz vor 23:00 Uhr aus ihrem beA versandt. Aufgrund eines anschließenden Internet-Ausfalls habe sie die Sendebestätigung nicht mehr kontrollieren können. Daher habe sie erst am Morgen festgestellt, dass sie den Schriftsatz versehentlich an ein falsches OLG versandt hatte. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde vom OLG zurückgewiesen, die Berufung als unzulässig verworfen. Der BGH verwarf auch ihre Rechtsbeschwerde als unzulässig. Es könne offen bleiben, ob der Anwältin bereits bei der Versendung an das falsche OLG ein Verschulden anzulasten sei (wofür vieles spreche). Jedenfalls sei sie verpflichtet gewesen, die Sendebestätigung zu überprüfen. Hier kommt nun der anschließende Internet-Ausfall ins Spiel. Hier habe die Anwältin ein Verschulden nicht ausgeräumt. Von einem Rechtsanwalt als professionellem Anwender könne erwartet werden, dass er diejenigen ganz einfachen, ohne besondere technische Kenntnisse auch von Laien umsetzbaren und weitgehend allgemein geläufigen Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung einer Internetverbindung kennt und ergreift, wie sie auch in Checklisten zur Vorgehensweise bei Internetstörungen etwa in Anwenderhandbüchern und Publikumszeitschriften sowie von Internetanbietern und Telekommunikationsunternehmen empfohlen werden (s. z.B. https:// www.computerbild.de/artikel/cb-Tipps-Internet-Internet -stuerzt-staendig-ab-31491417.html oder https:// www.verivox.de/internet/stoerung). Dazu gehöre nicht nur das hier ohne Erfolg vorgenommene Aus- und Einschalten des Routers und des Computers sowie die Überprüfung von dessen Internet- und Netzwerkeinstellungen, sondern jedenfalls auch die Kontrolle, ob die Netzwerkkabel am Router und (bei einer LAN-Verbindung) am Computer noch richtig eingesteckt sind. Hierzu habe die Anwältin aber nichts vorgetragen. Offen lassen konnte der BGH die Frage, ob auch die – nach seiner Bewertung einfach zu bewerkstelligende – Errichtung eines WLAN-Hotspots über ein ggf. vorhandenes Smartphone und dessen Nutzung als Ersatz-Internetverbindung zu den Pflichten eines Anwalts gehört, wozu dann auch im Wiedereinsetzungsantrag hätte vorgetragen werden müssen. Nach Ansicht des Verfassers gehört solch technisches Wissen nicht zu den Pflichten eines Anwalts; dies wurde aber auch schon anders beurteilt.5 5 OVG NRW, Beschl. v. 6.7.2022 – 16 B 413/22, MDR 2022, 1368, Besprechung Jungk, BRAK-Mitt. 2022, 312. Die zunehmende Selbstverständlichkeit der Nutzung technischer Hilfsmittel prägt zunehmend die anwaltliche Tätigkeit, was sich auch auf den Pflichtenumfang niederschlägt. (hg) RICHTIG SIGNIEREN Anforderungen des § 130a III 1 ZPO an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments. BGH, Beschl. v. 11.3.2025 – VI ZB 5/24, NJW 2025, 1828 Die Übermittlung von Schriftsätzen aus dem beA, insb. die Frage, wer mit welcher Signatur aus welchem Postfach versenden darf, damit den Anforderungen des § 130a III 1 ZPO genügt wird, ist offenbar immer noch nicht allen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen – und nicht einmal allen Oberlandesgerichten – klar. Der VI. Zivilsenat nutzt in dem Beschluss einmal wieder die Gelegenheit, die verschiedenen Varianten zu erläutern. Das OLG Zweibrücken hatte die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 130 III 1 ZPO entsprochen habe. Der Schriftsatz war von Rechtsanwalt I. qualifiziert elektronisch signiert worden. Eine einfache Signatur (also ein Name am Ende des Schriftsatzes) fehlte. Versendet wurde der Schriftsatz aus dem beA des Rechtsanwalts E., der im Kopf der Berufungsbegründung als Sachbearbeiter („Ansprechpartner“) aufgeführt war. Damit stehe nicht fest, welcher der beiden Anwälte die Berufungsschrift verantworte. Der BGH teilt diese Auffassung nicht und zeigt auf, dass es zwei Möglichkeiten der wirksamen Einreichung gibt: Entweder wird der Schriftsatz vom verantwortenden Rechtsanwalt aus seinem eigenen beA eingereicht. Dann muss sichergestellt sein, dass er den Schriftsatz auch tatsächlich verantwortet, wofür es notwendig ist, dass der Schriftsatz eine – seine – einfache Signatur, also seinen Namen enthält. Die andere Möglichkeit ist die qualifizierte elektronische Signatur (qeS), die allein die Unterschrift ersetzt. Wenn man also mit der qeS signiert, ist es völlig egal, wer (Personal, anderer Kollege) und aus welchem beA den Schriftsatz übermittelt. Mit der qualifizierten elektronischen Signatur ist die Vermutung verbunden, dass JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 263
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