keit abwandern, sind die Länder ermächtigt, die landgerichtlichen Zivilverfahren im Bereich der Wirtschaftszivilsachen für die Gerichtssprache Englisch zu öffnen (Commercial Chambers: § 184a I 1 Nr. 1 GVG). Zudem haben die Länder die Befugnis, einen Commercial Court an einem Oberlandesgericht oder einem Obersten Landesgericht einzurichten.54 54 Zum aktuellen Stand der Einführung von Commercial Courts und Chambers in den Bundesländern: https://www.gleisslutz.com/sites/default/files/static/2025-06/just izstandort-staerkungsgesetz_tabelle_updated_16_juni_2025.pdf (Stand: 16.6. 2025). Dort können Wirtschaftszivilsachen ab einem Streitwert von 500.000 Euro erstinstanzlich geführt werden, sofern sich die Parteien auf die erstinstanzliche Anrufung des Commercial Courts verständigt haben, § 119b GVG. Die Commercial Courts sollen den Rechtsstreit – je nach Vereinbarung der Parteien – entweder in deutscher oder in englischer Sprache (§ 184a I 1 Nr. 2 GVG) führen. Gegen Entscheidungen der Commercial Courts ist (zulassungsfrei) die Revision zum BGH statthaft, § 614 ZPO. Im Hinblick auf die Verfahrenssprache steht dem BGH ein Wahlrecht zu. Für den Fall, dass der betroffene Senat nicht in der Lage ist, das Verfahren auf Englisch zu führen, kann er anordnen, dass das Verfahren auf Deutsch geführt wird, § 184b II 1 GVG. Vor dem Commercial Court und der Commercial Chamber ist ein Wortprotokoll nach Maßgabe von § 613 ZPO zu führen. Ebenfalls zum 1.4.2025 ist § 273a ZPO in Kraft getreten. Nach § 273a Hs. 1 ZPO kann das Gericht auf Parteiantrag streitgegenständliche Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nr. 1 GeschGehG sein können. Nach § 273a Hs. 2 ZPO sind die §§ 16 bis 20 GeschGehG entsprechend anwendbar. Vor Inkrafttreten von § 273a ZPO galt ein besonderer Geheimnisschutz nur in Geschäftsgeheimnisstreitsachen i.S.v. § 16 I GeschGehG und in Patentstreitsachen (§§ 143 I, 145a PatG). Seit jeher ist im Rahmen von § 128a ZPO streitig, inwieweit die Zuschaltung von Parteien, Prozessbevollmächtigten, am Rechtsstreit beteiligter Dritter und Beweispersonen aus dem Ausland zulässig ist.55 55 Zum Meinungsstand: BeckOK ZPO/von Selle, 56. Ed. 1.3.2025, ZPO § 128a Rn. 30, MüKoZPO/Fritsche, 7. Aufl. 2025, ZPO § 128a Rn. 3 und Musielak/Voit/Stadler, 22. Aufl. 2025, ZPO § 128a Rn. 14. Auch die Neufassung von § 128a ZPO56 56 Ultsch, BRAK-Mitt. 2024, 249, 257. schweigt (leider) dazu. Für Videokonferenzen innerhalb der EU (mit Ausnahme Dänemarks) gilt mittlerweile die VO (EU) 2023/2844,57 57 Verordnung (EU) 2023/2844 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.12. 2023 über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen und zur Änderung bestimmter Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit, ABl. L, 2023/2844, 27.12.2023. die in ihrem Art. 5 ausdrücklich grenzüberschreitende Videokonferenzen gestattet.58 58 Zu verbleibenden offenen Fragen: Windau, ZPO-Blog v. 6.2.2025. Am 6.5.2025 ist die Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten von Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts an die Gerichte im gerichtlichen Verfahren (Behördenaktenübermittlungsverordnung – BehAktÜbV)59 59 BGBl. 2025 I Nr. 125 v. 5.5.2025. nach ihrem § 5 in Kraft getreten. Diese Verordnung regelt auf Grundlage von (u.a.) § 298a IV ZPO die Standards, die in zivil-, arbeits-, verwaltungs-, sozial- und finanzgerichtlichen Verfahren sowie in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten des Bundes und der Länder gelten. Zum 1.6.2025 sind – als Teil des Kosten- und Betreuervergütungs-Änderungungsgesetzes (KostBRÄG) 2025, mit dem auch die Gebühren nach dem RVG erhöht wurden60 60 Hierzu Hinne, BRAK-Mitt. 2025, 178. – insb. Gerichtskosten nach dem GKG und nach dem FamGKG sowie die Gerichtsvollziehergebühren gestiegen.61 61 Gesetz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern sowie zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts (Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 – KostBRÄG 2025), BGBl. 2025 I Nr. 109 v. 5.5. 2025. Seit Ende März 2025 erprobt das Bundesministerium der Justiz (und für Verbraucherschutz) ein Online-Portal zur digitalen Einreichung von Fluggastrechteklagen. Mit einem „Vorab-Check“62 62 https://service.justiz.de/fluggastrechte. können Nutzer ermitteln, ob ein Anspruch auf Entschädigung bestehen könnte.63 63 Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 I RDG; Erlaubnistatbestand des § 8 I 2 RDG nicht einschlägig; erfüllt das Portal die Voraussetzungen des § 6 II RDG? Bei positiver Feststellung kann digital eine Klageschrift erstellt und bei Gericht eingereicht werden, sofern der Nutzer über ein Bürgerkonto „Mein Justizpostfach“ (MJP)64 64 https://mjp.justiz.de. verfügt. III. AUSBLICK Die Grundlagen für die künftigen Entwicklungen sind im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD festgehalten. Durch einen neuen Pakt für den Rechtsstaat sollen Qualität der Rechtsprechung gesichert und schnelle Entscheidungen ermöglicht werden. Der neue Pakt für den Rechtsstaat soll aus drei Säulen bestehen: der besseren Digitalisierung (Abschaffung von Medienbrüchen, Bundesjustizcloud, Justizportal mit Kommunikationsplattform, Vollstreckungsregister und weitere Bürgerservices),65 65 Koalitionsvertrag 2025, Zeilen 2024-2031. schlankerer und beschleunigter Verfahrensabläufe und mehr Personal.66 66 Koalitionsvertrag 2025, Zeilen 2017-2022. CDU, SPD und CSU wollen „die Justiz in der Fläche festigen“. Sie beabsichtigen die Zuständigkeitsstreitwerte der Amtsgerichte deutlich zu erhöhen. Auch die Rechtsmittelstreitwerte sollen angehoben werden. In der Zivilgerichtsbarkeit möchte die neue Koalition ein OnlineAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 257
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