haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 I GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, so dass im Einzelfall besondere Umstände erforderlich sind, die deutlich zeigen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht erwogen hat.16 16 BGH, Beschl. v. 11.2.2025 – XI ZR 32/24, BeckRS 2025, 2734 Rn. 7. b) FEHLERHAFTE ANWENDUNG VON PRÄKLUSIONSVORSCHRIFTEN Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) ist verletzt, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet.17 17 BGH, Beschl. v. 19.11.2024 – VI ZR 35/23, BeckRS 2024, 36270 Ls.; BGH, Beschl. v. 12.11.2024 – VI ZR 361/23, BeckRS 2024, 36260, Ls. 2. Nachlässigkeit i.S.v. § 531 II 1 Nr. 3 ZPO liegt nur dann vor, wenn die Partei gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Eine Verpflichtung, tatsächliche Umstände, die der Partei nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, besteht ebenso wenig wie die Verpflichtung, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen.18 18 BGH, Beschl. v. 19.11.2024 – VI ZR 35/23, BeckRS 2024, 36270 Rn. 11. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, insb. den wesentlichen Kern des Parteivorbringens zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des Rechtsstreits betrifft – in den Gründen zu bescheiden. Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn die gerichtliche Entscheidungsbegründung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.19 19 BGH, Beschl. v. 12.11.2024 – VI ZR 361/23, BeckRS 2024, 36260 Rn. 11. c) ZEITPUNKT EINES HINWEISES NACH § 522 II 1 ZPO Ein Hinweis nach § 522 II 1 ZPO kann erst dann erfolgen, wenn dem Berufungsgericht zumindest die Berufungsgründe einschließlich etwaiger (zulässig) geltend gemachter neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel vorliegen, weil das Berufungsgericht erst dann beurteilen kann, ob dem Rechtsmittel auch eine mündliche Verhandlung offensichtlich nicht zum Erfolg verhelfen kann.20 20 BGH, Beschl. v. 12.6.2024 – XII ZR 92/22, NJW 2024, 2614, 2615 Rn. 8. d) WIDERSPRÜCHLICHKEITEN DURCH BERICHTIGUNGEN IM PARTEIVORTRAG Eine Partei ist grundsätzlich nicht daran gehindert, „ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern und insb. zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO Beachtung finden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei läuft auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt damit zugleich gegen Art. 103 I GG“.21 21 BGH, Beschl. v. 20.11.2024 – VII ZR 191/23 (Leitsätze), BeckRS 2024, 35585. e) ERLEICHTERUNGEN NACH § 287 ZPO Dem Geschädigten wird durch § 287 ZPO neben der Beweisführung auch die Darlegung erleichtert. Er braucht zur substantiierten Darlegung des klageweise geltend gemachten Schadens weder ein Privatgutachten vorzulegen noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend zu ergänzen. Der Geschädigte kann durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen klären lassen, in welcher niedrigeren als von ihm ursprünglich geltend gemachten Höhe Reparaturkosten anfallen.22 22 BGH, Beschl. v. 30.7.2024 – VI ZR 122/23, BeckRS 2024, 27002, Rn. 12. 4. ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR a) WAHRUNG DER MATERIELLRECHTLICHEN SCHRIFTFORM DURCH ELEKTRONISCH EINGEREICHTE SCHRIFTSÄTZE Der BGH hatte zwei Gelegenheiten, zur Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die materiellrechtliche Schriftform durch elektronisch eingereichte Schriftsätze gewahrt ist. Die Urteile betreffen Erklärungen vor Inkrafttreten des § 130e ZPO. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass der Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (§§ 126 III, 126a I BGB) und so in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.23 23 BGH, Urt. v. 27.11.2024 – VIII ZR 159/23, BeckRS 2024, 35889 Rn. 31 ff. = Jungk, Chab, Grams, BRAK-Mitt. 2025, 113 ff. und BGH, Versäumnisurt. v. 27.11.2024 – VIII ZR 155/23, BeckRS 2024, 37538 Rn. 27 ff. = BRAK-Mitt. 2025, 164 Ls. = Jungk, Chab, Grams, BRAK-Mitt. 2025, 113 ff. Die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks i.S.d. § 298 III ZPO bewirkt keinen wirksamen Zugang der im Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner.24 24 BGH, Urt. v. 27.11.2024 – VIII ZR 159/23, BeckRS 2024, 35889 Rn. 23 und 39 = Jungk, Chab, Grams, BRAK-Mitt. 2025, 113 ff. Seit dem 17.7.2024 gelten die Erleichterungen des §130eZPO.25 25 Ultsch, BRAK-Mitt. 2024, 249, 257. b) NUTZUNGSPFLICHT NACH § 130d ZPO FÜR AUS DEM AUSLAND TÄTIGE ANWÄLTE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 AUFSÄTZE 254
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