BRAK-Mitteilungen 4/2025

dung des EuGH gem. Art. 267 AEUV, gesetzlicher Richter i.S.v. Art. 101 I 2 GG, einzuholen oder den Rechtsstreit entsprechend § 148 I ZPO mit Blick auf ein laufendes Vorabentscheidungsverfahren auszusetzen.2 2 BGH, Beschl. v. 27.3.2025 – I ZB 68/24, GRUR 2025, 947, 948 Rn. 9. Die Vorschriften der ZPO, insb. der §§ 345, 514 II 1 ZPO, respektieren3 3 BGH, Beschl. v. 27.3.2025 – I ZB 68/24, GRUR 2025, 947, 949 f. Rn. 14 ff. insoweit den vom EuGH geforderten Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität.4 4 Hierzu etwa Ultsch, WuB 2022, 404 m.w.N. Eine „Flucht in Europarecht“5 5 BGH zum „zweiten“ Versäumnisurteil: Legal Tribune Online, 22.5.2025 (abgerufen am 13.6.2025). hat also keine Aussichten auf Erfolg. b) BEFANGENHEIT WEGEN VERGLEICHSDRUCK Ein allzu starkes gerichtliches Drängen auf einen Vergleich kann die Besorgnis der Befangenheit begründen.6 6 BVerfG, Beschl. v. 3.3.2025 – 1 BvR 750/23, BeckRS 2025, 7981 Rn. 84 ff. Die (angebliche) Arbeitsüberlastung des Spruchkörpers ist kein sachlicher Grund, der ein Insistieren des Gerichts auf einen Vergleichsschluss rechtfertigen könnte.7 7 BVerfG, Beschl. v. 3.3.2025 – 1 BvR 750/23, BeckRS 2025, 7981 Rn. 89. c) PRÜFUNG DER ÖRTLICHEN ZUSTÄNDIGKEIT IM RECHTSMITTELVERFAHREN Das Revisionsgericht hat die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts (ausnahmsweise) zu überprüfen, wenn diese von der Auslegung einer klärungsbedürftigen Frage des Unionsrechts abhängt und das Berufungsgericht eine eigene Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union deshalb verneint hat, weil es die Revision zugelassen hat.8 8 BGH, Urt. v. 26.11.2024 – X ZR 47/23, BeckRS 2024, 34838 Rn. 13 ff. d) VORWURF DER „AFD-POLEMIK” KEIN GRUND FÜR RICHTERABLEHNUNG Rügt das Gericht die Aussage eines Parteivertreters „Was die Beklagtenvertreter und Wirtschaftsflüchtlinge gemeinsam haben? Man kann ihnen absolut nichts vorwerfen, denn sie nutzen lediglich ein marodes System aus.“ als zu unterlassende „AfD-Polemik“, begründet dies keine Besorgnis der Befangenheit. 9 9 OLG München, Beschl. v. 28.11.2024 – 19 U 3139/20, BeckRS 2024, 46389 Rn. 6 ff. = BRAK-Mitt. 2025, 307 Ls. (in diesem Heft); S. dazu auch Nitschke, BRAKMagazin 3/2025, 10. e) RICHTERABLEHNUNG BEI UNVERHÄLTNISMÄSSIG LANGER VERFAHRENSDAUER Eine nicht zu rechtfertigende lange Verfahrensdauer kann nach dem OLG Düsseldorf aus Sicht einer verständigen Partei den Eindruck erwecken, dass der abgelehnte Richter das Verfahren nicht fördern will und damit das berechtigte Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters begründen.10 10 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.5.2024 – 11 W 34/23, BeckRS 2024, 24604 Rn. 14 ff. f) BEFANGENHEIT BEI VERSEHENTLICHER ÜBERSENDUNG EINES URTEILSENTWURFS Nach dem OLG Frankfurt11 11 OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.6.2025 – 9 W 13/25. kann die versehentliche Übersendung eines signierten Urteilsentwurfs mit einem bereits ausformulierten Tenor aufseiten der danach unterliegenden Partei geeignet sein, den Eindruck hervorzurufen, die Einzelrichterin habe sich in ihrer Entscheidung bereits festgelegt und das weitere Verfahren diene nur noch dazu, dieses Ergebnis besser begründen zu können. 2. VERFAHRENSFRAGEN a) RUBRUMSUNTERSCHRIFT Eine von einem österreichischen Rechtsanwalt vorgenommene Rubrumsunterschrift erfüllt in der Regel das von der ZPO aufgestellte Unterschriftserfordernis.12 12 BGH, Beschl. v. 15.5.2025 – IX ZB 1/24, BRAK-Mitt. 2025, 283 (in diesem Heft) = BeckRS 2025, 13146 Rn. 16 ff. b) ZUR GERICHTLICHEN SCHÄTZUNG NACH § 287 ZPO Die vom Tatrichter nach § 287 ZPO vorgenommen Schätzung ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Zur Ermöglichung der Überprüfung muss der Tatrichter aber die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihrer Auswertung darlegen.13 13 BGH, Urt. v. 5.11.2024 – VI ZR 12/24, BeckRS 2024, 35635 Rn. 10. c) ERFORDERLICHER HINWEIS NACH § 139 ZPO Der Anspruch auf ein faires Verfahren und das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 I GG sind verletzt, wenn das Gericht einen rechtlichen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und im Urteil entgegengesetzt entscheidet, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben.14 14 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 19.7.2024 – 2 BvR 808/24, BeckRS 2024, 20698 Rn. 4. Auf die Notwendigkeit, Beweismittel zu benennen, ist eine anwaltlich vertretene Partei nur dann hinzuweisen, wenn sich aus ihrem Vorbringen ergibt, dass der unterbliebene Beweisantritt auf einer erkennbar falschen Beurteilung der Rechtslage beruht.15 15 OLG Dresden, Hinweisbeschl. v. 16.1.2025 – 4 U 657/24, BeckRS 2025, 1209 Rn. 16. 3. TATSACHENVORTRAG UND BEWEIS a) NICHTBERÜCKSICHTIGUNG VON PARTEIVORTRAG Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll gewährleisten, dass die richterliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung von Parteivortrag AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2025 253

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