BRAK-Mitteilungen 3/2025

IDENTIFIZIERENDE BERICHTERSTATTUNG ÜBER EINE RECHTSANWÄLTIN BRAO § 1; BGB §§ 823, 1004 I 2 analog; GG Art. 1, 2, 5 * 1. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. * 2. Die vorzunehmende Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht einer Person durch eine identifizierende Berichterstattung einerseits und dem Gewicht der den Eingriff rechtfertigenden Gründe andererseits fällt zu Gunsten des Berichtenden aus, wenn es sich bei den angegriffenen Äußerungen im Wesentlichen um zulässige Werturteile und wahre Tatsachenbehauptungen handelt. * 3. Meinungsäußerungen können nach einer Abwägung im Ausnahmefall als unzulässig anzusehen sein, wenn es gemessen an ihrer Eingriffsintensität keine hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte für sie gibt. Für die Abwägung macht es deshalb einen Unterschied, ob es sich um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung handelt oder um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung. * 4. Der Schutz der von Art. 2 I GG gewährleisteten freien Entfaltung der Persönlichkeit verleiht keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht benannt zu werden. Dies gilt insbesondere für die Berichterstattung über die berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts. Denn in der beruflichen Sphäre muss sich ein Rechtsanwalt von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit einstellen und Kritik an seinen Leistungen hinnehmen. Zu einer solchen Kritik und Bewertung gehört auch die Namensnennung. LG Berlin, Urt. v. 3.4.2025 – 27 O 304/24 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Die Berufung ist beim KG anhängig unter dem Aktenzeichen 10 U 42/25. Die klagende Rechtsanwältin hatte einen Mann im Asylverfahren vertreten, der später, im Sommer 2024, in Solingen ein Messer-Attentat verübte, bei dem mehrere Menschen getötet wurden. Das beklagte Nachrichtenportal berichtete in identifizierender Art und Weise (u.a. unter Namensnennung) über die Kl. Sie wurde in der Folge bedroht und die rechtsextremistische „Identitäre Bewegung“ demonstrierte vor ihrer Kanzlei. Dagegen hatten u.a. die BRAK (s. Nachr. aus Berlin 18/2024 v. 4.9.2024) und der DAV protestiert. Die ebenfalls identifizierende Berichterstattung über die Anwältin durch die BILD ahndete der Presserat mit einer öffentlichen Rüge (s. Nachr. aus Berlin 1/ 2025 v. 8.1.2025). Das hier beklagte Nachrichtenportal hat sich nicht dem Pressekodex unterworfen, der Presserat ist daher insoweit nicht zuständig. Mit der presse- und strafrechtlichen Aufarbeitung dieser Vorfälle und möglichen Schutzmaßnahmen für betroffene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte befassen sich zwei Folgen des Podcasts „(R)ECHT INTERESSANT!“ mit BRAK-Vizepräsidentin Sabine Fuhrmann sowie der Migrationsrechtlerin Dr. Kati Lang. SONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 246

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