VERSTOSS GEGEN DIE PASSIVE NUTZUNGSPFLICHT DES beA BRAO § 31a VI * Hat ein Rechtsanwalt seit der ersten Anhörung durch seine Rechtsanwaltskammer zum Vorwurf, gegen die Nutzungspflicht nach § 31a VI BRAO zu verstoßen, mehr als eineinhalb Jahre verstreichen lassen, ohne sein beA dergestalt einzurichten, dass er seiner passiven Nutzungspflicht hätte nachkommen können, ist ein Verweis und die Verhängung einer Geldbuße (in diesem Fall i.H.v. 2.000 Euro) ausreichend, aber auch erforderlich. AnwG Hamburg, Urt. v. 2.12.2024 – II 13/24 EV 111/23 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Bereits mit Urteil v. 31.1.2020 (BRAK-Mitt. 2020, 166 Ls.) hatte das AnwG Nürnberg entschieden, dass einem Rechtsanwalt, der der Aufforderung einer Rechtsanwaltskammer, sein beA einzurichten, nicht nachkommt, ein Verweis und eine Geldbuße (dort: 3.000 Euro) aufzuerlegen ist. Auch das AnwG Berlin hat in einem solchen Fall mit einer vom AGH Berlin (BRAK-Mitt. 2025, 82) bestätigten Entscheidung einen Verweis sowie eine Geldbuße i.H.v. 3.000 Euro verhängt. ENTKRÄFTUNG DER BEWEISWIRKUNG EINES eEB BRAO §§ 31a, 53; BORA § 14; ZPO §§ 173, 175 1. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 17.1.2024 – VII ZB 22/23, NJW 2024, 1120 Rn. 10; v. 7.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 10 und v. 18.4.2023 – VI ZB 36/22, NJW 2023, 2433 Rn. 11). 2. Für den Gegenbeweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet sein, also jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 18.4.2023 – VI ZB 36/22, NJW 2023, 2433 Rn. 11 und v. 7.10. 2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 10; Urt. v. 7.6.1990 – III ZR 216/89, NJW 1990, 1026). 3. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem dokumentierten Zeitpunkt der elektronischen Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum (hier: sechs Wochen) erbringt den Beweis der Unrichtigkeit der Datumsangabe für sich genommen noch nicht (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 7.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 11 und v. 19.4.2012 – IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 8). Es dürfen jedoch auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – VI ZB 23/08, NJW 2009, 855, 856 und v. 8.5.2007 – VI ZB 80/06, NJW 2007, 3069). 4. In einem solchen Fall kann die Partei deshalb nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet sein, sich substantiiert zu den Umständen zu erklären, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen, und zu dem tatsächlichen Zeitpunkt der subjektiv empfangsbereiten Kenntnisnahme vorzutragen. Außerdem kann das Gericht nach §§ 142, 144 ZPO die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals des Rechtsanwalts der Partei anordnen. 5. Hieraus und aus den Erklärungen der Partei können sich jedenfalls Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der empfangsbereiten Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks durch den Rechtsanwalt und damit ein von dem Empfangsbekenntnis abweichendes Zustelldatum ergeben. Erklärt sich die Partei nicht und legt auch das beA-Nachrichtenjournal ihres Rechtsanwalts nicht vor, kann – in entsprechender Anwendung von § 427 ZPO – der Beweis der Unrichtigkeit des in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatums geführt sein. OLG Celle, Beschl. v. 31.1.2025 – 20 U 8/24 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Vergleiche zu diesem Thema auch die nachfolgende Entscheidung des KG (BRAK-Mitt. 2025, 243 – in diesemHeft). ZUSTELLUNGSFIKTION BEI FEHLENDER EMPFANGSBESTÄTIGUNG BRAO § 53; ZPO §§ 173, 189 1. Zur Zustellung eines Urteils gem. § 189 ZPO, wenn bei einem elektronisch übersandten Urteil der Rechtsanwalt das eEB nicht zurücksendet. * 2. Kann ein Rechtsanwalt nicht darlegen, aus welchem Grund zwischen dem Empfang, also der Sichtbarkeit einer Nachricht in seinem beA und der für eine Rechtzeitigkeit der Berufung zugrundeliegenden tatsächlichen Kenntnisnahme mehr als vier Wochen liegen, ist von einer Empfangsbereitschaft des Anwalts auszugehen. * 3. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanwalt gem. § 53 I Nr. 1 BRAO bereits im Falle einer BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 243
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0