gehen kann (vgl. Prütting, in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 54 Rn. 14). [11] Es spricht auch sonst wenig dafür, allein aus den umfassenden Befugnissen der Vertretung unabhängig von der Dauer der Verhinderung des vertretenen Rechtsanwalts auf eine Verpflichtung zur Übernahme des vollständigen Tagesgeschäfts des vertretenen Rechtsanwalts einschließlich aller Gerichtstermine zu schließen. So soll der Vertreter, der im Fall der Bestellung von Amts wegen die Übernahme der Vertretung im Übrigen gem. § 53 IV 2 BRAO nur aus wichtigem Grund ablehnen kann, nach § 53 II 1 BRAO ein Rechtsanwalt sein. Er hat damit üblicherweise auch die Geschäfte seiner eigenen Kanzlei zu führen (vgl. § 27 BRAO) und deren Kosten zu decken (zur Gefährdung der Kostendeckung in der eigenen Kanzlei durch eine umfassende Vertretungstätigkeit vgl. BGH, Urt. v. 28.5. 2021 – AnwZ (Brfg) 52/19 Rn. 62; Dahns, NJW-Spezial 2021, 574). Je umfassender aber die zwingend wahrzunehmenden Vertretungsaufgaben ausfallen, in desto größerem Umfang stehen sie der Weiterbearbeitung der eigenen Mandate entgegen und desto schwieriger sind sie parallel zum eigenen Kanzleigeschäft zu leisten. Hinzu kommen die Kosten der Vertretung für den vertretenen Rechtsanwalt, die je nach Umfang der Vertretungstätigkeit gerade bei Einzelanwälten zu einer nicht unerheblichen finanziellen Belastung führen können (zur im Fall der selbst bestellten Vertretung regelmäßig zu treffenden privatrechtlichen Vergütungsvereinbarung vgl. Günther, in BeckOK BRAO, Römermann, § 54 Rn. 15; zur im Fall der von Amts wegen bestellten Vertretung zu zahlenden angemessenen Vergütung vgl. § 54 IV 1 und 2 BRAO). Jedenfalls bei zeitlich überschaubarer Verhinderung ist damit eine Pflicht zum Tätigwerden für die Vertretung nur in solchen Verfahrenssituationen anzunehmen, die eine unmittelbare Reaktion des Rechtsanwalts – wie etwa in Fällen einer einstweiligen Verfügung, einer eiligen Terminsbestimmung, einer vorläufigen Verfahrensanordnung oder bei Maßnahmen im Strafverfahren – erfordern (vgl. Dahns, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 53 BRAO Rn. 5). [12] Nach alledem überwiegt hier das Interesse des Kl. an der Vertretung durch den Rechtsanwalt seiner Wahl das Beschleunigungsgebot. Der Prozessbevollmächtigte des Kl. ist in den Fall eingearbeitet. Er war für den Kl. bereits im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tätig und hat die Klage schon in der Klageschrift ausführlich begründet. Auch vor dem Hintergrund der von dem Kl. im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht im Rahmen seines Prozesskostenhilfeantrags geltend gemachten schwierigen wirtschaftlichen Situation ist nicht davon auszugehen, dass er ohne Weiteres bereit und in der Lage war, ggf. für die Zusatzvergütung eines anderen Rechtsanwalts aufzukommen. Hinweise darauf, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung am 21.5.2024 im Verfahren des Kl., das zum Zeitpunkt der Ladung seit weniger als drei Monaten beim Verwaltungsgericht anhängig war, so dringlich gewesen wäre, dass sie keinen Aufschub in die Zeit nach dem lediglich ca. zweiwöchigen Urlaub des Prozessbevollmächtigten des Kl. geduldet hätte, liegen nicht vor. Das Interesse des Verwaltungsgerichts an der lückenlosen Ausfüllung eines Terminstags muss damit zurückstehen, zumal im Zeitpunkt des Eingangs des Terminsverlegungsantrags sogar noch ausreichend Zeit gewesen wäre, die Beteiligten eines anderen Verfahrens zu laden (vgl. § 102 I VwGO). [13] Der wegen der zu Unrecht abgelehnten TerminsGehörsverstoß verlegung gegebene Gehörsverstoß war auch ursächlich für die angegriffene Entscheidung. Zwar kann sich ein Gehörsverstoß auch nur auf einzelne dem Urteil zu Grunde liegende Feststellungen beziehen, die die Richtigkeit des Ergebnisses nicht notwendigerweise in Zweifel ziehen. Anderes gilt aber, wenn der festgestellte Gehörsverstoß das angegriffene Urteil in seiner Gesamtheit betrifft; ein solcher Verfahrensmangel führt immer zur Zulassung der Berufung. Dies ist regelmäßig bei Entscheidungen ohne die gebotene mündliche Verhandlung bzw. bei fehlender Vertretung in der mündlichen Verhandlung, etwa bei unterlassener oder fehlerhafter Ladung der Fall. Dem steht die Entscheidung bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Vertretung des Beteiligten, obgleich Verlegung geboten war, gleich (vgl. Beschl. des Senats v. 11.1.2022 – 13 S 2818/21 n.v.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.1.2001 – 7 S 2589/00 Rn. 8). Dass hier ausnahmsweise anderes gelten würde (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschl. v. 2.6.2021 – 2 BvR 1054/19 Rn. 1), ist nicht ersichtlich. [14] Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. [15] Das Antragsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 78 V 3 AsylG). HINWEISE DER REDAKTION: Die Ablehnung einer Terminsverlegung wegen Verhinderung des Verteidigers ist beim Vorliegen einer nicht ganz einfachen Sach- und Rechtslage nicht frei von Ermessensfehlern, wenn sie im Hinblick auf die Geschäftsbelastung des Gerichts damit begründet wird, die Verlegung um wenige Wochen sei inakzeptabel (vgl. BayObLG, Beschl. v. 4.12.2020 – 201 ObOWi 1517/20). PROZESSUALES BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 241
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