BRAK-Mitteilungen 3/2025

PROZESSUALES TERMINSVERLEGUNG WEGEN URLAUBSABWESENHEIT EINES EINZELANWALTS BRAO §§ 53, 54 1. Die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten infolge eines zum Zeitpunkt der Ladung bereits gebuchten Urlaubs ist bei einem Einzelanwalt regelmäßig ein erheblicher Verlegungsgrund i.S.d. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 I 1 ZPO. 2. Die Verpflichtung zur Bestellung einer Vertretung nach § 53 BRAO für eine überschaubare Urlaubsabwesenheit steht dem Vorliegen eines erheblichen Grunds i.S.d. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 I 1 ZPO grundsätzlich nicht entgegen. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.2.2025 – A 13 S 959/24 AUS DEN GRÜNDEN: [1] Der fristgerecht gestellte und begründete Antrag des Kl. auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Karlsruhe v. 21.5.2024 hat mit Blick auf den geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 78 III Nr. 3 AsylG) Erfolg. Ob zudem die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen der von dem Kl. ebenfalls geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 78 III Nr. 1 AsylG) gegeben sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. [2] Der Kl. hat den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels in Form der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 III Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) hinreichend dargelegt. Dieser liegt auch vor. Denn das Verwaltungsgericht hat den Terminsverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Kl. zu Unrecht abgelehnt und damit den Anspruch des Kl. auf rechtliches Gehör verletzt. [3] Der grundrechtlich verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) gibt den Beteiligten ein Recht zur Äußerung über Tatsachen, Beweisergebnisse und die Rechtslage und verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das rechtliche Gehör soll den Betroffenen damit Gelegenheit geben, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.3.2019 – 1 BvR 2721/16 Rn. 17 und v. 30.10.1990 – 2 BvR 562/ 88 Rn. 40; BVerwG, Beschl. v. 9.1.2020 – 5 B 25.19 D Rn. 17 und v. 2.9.2019 – 8 B 19.19 Rn. 2). Es schließt das Recht der Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.4.1989 – 9 C 55.88 Rn. 8 und Beschl. v. 29.4.2004 – 3 B 119.03 Rn. 3). Vor diesem Hintergrund kann die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn die begehrte Verlegung des Termins aus erheblichen Gründen geboten gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2019 – 1 B 84.19 Rn. 3 und v. 20.4.2017 – 2 B 69.16 Rn. 8; W. R. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl., § 138 Rn. 15). So liegt der Fall hier. [4] Nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 I 1 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen sowie eine Verhandlung vertagen. Diese Regelung dient u.a. dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte insb. durch mündlichen Vortrag zu dem aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1985 – 9 C 84.84 Rn. 15; Scheidler, DVBl 2012, 875, 876). Angesichts des hohen Rangs des Anspruchs auf rechtliches Gehör verdichtet sich das dem Gericht nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 I 1 ZPO eingeräumte Ermessen bei Vorliegen eines erheblichen Grunds in diesem Sinn regelmäßig zu einer Verpflichtung des Gerichts zur Terminsverlegung, wenn kein Hinweis auf eine Prozessverschleppungsabsicht gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2009 – 6 B 32.09 Rn. 3, v. 2.11.1998 – 8 B 162.98 Rn. 3 und v. 3.8.1994 – 6 B 31.94 Rn. 3; Brüning, in BeckOK VwGO, Posser/Wolff/ Decker, § 102 VwGO Rn. 8). Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des erheblichen Grunds ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens (vgl. etwa § 87b VwGO) und andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.5.2008 – 4 B 42.07 Rn. 19; Scheidler, DVBl 2012, 875, 877). Es kommen damit insb. solche Umstände als erhebliche Gründe in Betracht, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungsgebots erfordern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.4.2004 – 3 B 119.03 Rn. 3 und v. 23.1.1995 – 9 B 1.95 Rn. 3). [5] Die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten inVerhinderung eines Einzelanwalts folge eines zum Zeitpunkt der Ladung bereits gebuchten Urlaubs ist bei einem Einzelanwalt regelmäßig ein erheblicher Verlegungsgrund i.S.d. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 I 1 ZPO (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.7.2018 – 9 A 1980/17.A Rn. 6, 17 ff. und v. 16.11.2009 – 7 D 2/09.NE Rn. 7; Riese, in Schoch/ Schneider, Verwaltungsrecht, § 102 VwGO Rn. 15 f.; Dolderer, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 102 Rn. 35; Weers-Hermanns/Wilgen, DVBl 2019, 131, 132; Scheidler, DVBl 2012, 875, 879). Vor diesem Hintergrund wäre dem Terminsverlegungsantrag des Kl. v. 26.4.2024, in dem ein Auslandsurlaub seines Prozessbevollmächtigten über die Pfingstferien geltend gemacht wurde, stattzugeben gewesen. Der Prozessbevollmächtigte des Kl. hat den Terminsverlegungsantrag in Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht unverzüglich (vgl. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 239

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