BRAK-Mitteilungen 3/2025

* 2. Die Stellung des § 4 II EuRAG im Teil 2 (Berufsausübung als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt) lässt darauf schließen, dass niedergelassene europäische Rechtsanwälte lediglich im Hinblick auf die Berufsausübung so lange in den Anwendungsbereich des EuRAG fallen sollen, bis deren Aufnahme bei einer Rechtsanwaltskammer bestandskräftig widerrufen worden ist. * 3. § 4 II 1 Alt. 2 EuRAG regelt mithin hinsichtlich der Berufsausübung eine Ausnahme von § 1 EuRAG, welcher vorsieht, dass das Gesetz die Berufsausübung und die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Deutschland nur für natürliche Personen regelt, die berechtigt sind, als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten Berufsbezeichnungen selbstständig tätig zu sein (europäische Rechtsanwälte). * 4. Dass der Gesetzgeber Personen, die keinem Mitgliedstaat der EU mehr angehören, keine Privilegien nach dem EuRAG mehr einräumen wollte, ergibt sich aus der durch den „Brexit“ bedingten Schaffung des § 4 II 1 Alt. 2 EuRAG, wonach die Aufnahme solcher Rechtsanwälte bei Rechtsanwaltskammern zu widerrufen ist. Hamburgischer AGH, Urt. v. 13.11.2024 – AGH I ZU 2/2022 (I-40) AUS DEM TATBESTAND: Der Kl., der die deutsche und die britische Staatsangehörigkeit besitzt, ist in England und Wales als „Employed Barrister“ zugelassen und nach seinen Angaben seit dem Jahr 2016 als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt tätig. Mit Urkunde v. 14.12.2020 wurde der Kl. gem. § 2 EuRAG als europäischer Rechtsanwalt in die Bekl. aufgenommen. Seine Vereidigung erfolgte am 30.12.2020. Am 31.12.2020 beantragte der Kl. bei der Bekl. die Eingliederung und Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. den § 4 S. 1 Nr. 2 BRAO, §§ 11 ff. EuRAG. Mit Schreiben v. 21.1.2021 teilte die Bekl. dem Kl. ihre Auffassung mit, dass der Antrag unbegründet sei. Der Kl. bat die Bekl. daraufhin mit Schreiben v. 24.1. 2021 zu überprüfen, ob in seinem Fall eine Ausnahme nach dem Kooperations- und Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich gelte und er eingegliedert werden könne. Der Kl. verwies auf seine Tätigkeit als Rechtsberater der ... mit Niederlassungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Er trug außerdem vor, seit dem 16.6.2017 „qualifizierte Person“ in Rechtsdienstleistungen nach § 10 RDG zu sein und seit dem Jahr 2016 eine Niederlassung in Deutschland zu haben. Hierzu erklärte der Kl., seit dem Jahr 2016 bei der ... und bei ...tätig gewesen zu sein und einen überwiegenden Anteil seines Studiums in der EU/EWR verbracht zu haben. Der Kl. begründete seine Ansicht, dass ein Ausnahmefall vorliege, außerdem damit, dass er langjährig in verschiedenen rechtsnahen und rechtsberatenden Bereichen tätig gewesen sei. Mit Bescheid v. 1.4.2021 lehnte die Bekl. den Antrag des Kl. auf Eingliederung und Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. den § 4 S. 1 Nr. 2 BRAO, §§ 11 ff. EuRAG ab. Sie vertrat die Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Eine Eingliederung auf der Grundlage des EuRAG sei nach dem 31.12.2020 nicht mehr möglich, da das Gesetz mit Ablauf des 31.12.2020 keine Anwendung mehr auf Rechtsanwälte mit einer Zulassung aus dem Vereinigten Königreich finde. Der Antrag des Kl. sei zudem unbegründet, da dieser die Voraussetzungen für eine Eingliederung nicht erfülle. Er sei nicht mindestens drei Jahre effektiv und regelmäßig als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland tätig gewesen. Für eine Ausnahme bestehe kein Raum. Dass der Kl. zukünftig nicht mehr in Deutschland im deutschen Recht beraten dürfe, wiege zwar schwer, der Gesetzgeber habe dies aber bewusst in Kauf genommen. Mit Schreiben v. 23.4.2021 beantragte der Kl. – diesen hatte die Bekl. zwischenzeitlich (am 8.4.2021) als britischen Barrister gem. § 206 BRAO aufgenommen – die Verlängerung der Widerspruchsfrist bis zum 30.6.2021. Die Bekl. lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Frist des § 70 VwGO nicht verlängert werden könne. Mit Schreiben v. 30.4.2021 legte der Kl. Widerspruch gegen den Bescheid der Bekl. v. 1.4.2021 ein. Zur Begründung führte er aus, dass die im Rahmen seiner Tätigkeiten vor dem 30.12.2020 erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei dem Antrag auf Eingliederung zu berücksichtigen seien. Da der Kl. Doppelstaatsbürger sei, seien für die Niederlassung alle Tätigkeiten des Kl. in allen EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Zudem seien die Tätigkeitszeiträume zu addieren. Die Entscheidung der Bekl. verstoße aufgrund der Doppelstaatsbürgerschaft des Kl. gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Sicherung der Qualität und Vertretung gegenüber den Mandanten erfordere keine ablehnende Entscheidung. Der Kl. beantragte außerdem die Aussetzung bzw. das Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zur Entscheidung über einen Antrag nach § 16 EuRAG auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation. Am 25.6.2021 nahm die Bekl. den Kl. für seine Tätigkeit als „...“ bei der ... als Barrister (Syndikus) gem. § 206 BRAO auf. Nach mehrfacher ergebnisloser Nachfrage der Bekl. beim Kl., inwiefern das Verfahren über die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation vorgreiflich sei, gab die Bekl. dem Kl. schließlich mit Schreiben v. 1.4.2022 letztmalig Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen. Von dieser Möglichkeit machte der Kl. keinen Gebrauch. Daraufhin wies die Bekl. den Widerspruch des Kl. v. 30.4.2021 gegen den Bescheid der Bekl. v. 1.4.2021 mit Widerspruchsbescheid v. 12.7.2022 zurück. Den Widerspruchsbescheid begründete die Bekl. mit der Annahme, dass der Antrag des Kl. auf Eingliederung unzulässig sei, da das EuRAG auf Rechtsanwälte mit einer ZULASSUNG BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 229

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