de stehende Schreiben der O. aus der Handakte herausgenommen und diese damit unvollständig herausgegeben hätte, ist rechtlich nicht relevant. Der Kammervorstand muss nicht damit rechnen, dass ein Rechtsanwalt eine vorzulegende Handakte vorsätzlich manipuliert. Das Vorlagerecht des Kammervorstandes ist insoweit nicht eingeschränkt; die Akte ist auf Verlangen vollständig herauszugeben (vgl. Weyland/Träger, 10. Aufl., § 50 BRAO Rn. 17-20). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, als allein diese Ankündigung potenziell einen Verstoß gegen § 43 BRAO darstellt. Soweit die Handakte eine Urkunde i.S.d. § 267 StGB darstellt, wäre das Entfernen potenziell eine Straftat. Soweit die Handakte keine Urkunde i.S.d. § 267 StGB ist, belegt die Ankündigung des Rechtsanwalts, der Handakte Unterlagen entnehmen und sie unvollständig herausgeben zu wollen, dass er nicht bereit ist, das anwaltliche Berufsrecht zu achten und seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. [37] VI. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der angeschuldigte Rechtsanwalt seinen Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und sich innerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, nicht würdig erwiesen, indem er sich bei seiner Berufsausübung unsachlich verhalten hat und auf Verlangen des Vorstandes der RAK oder einem beauftragten Mitglied des Vorstands in Aufsichts- und Beschwerdesachen diesem seine Handakte nicht vorgelegt hat, schuldig gemacht. [38] Bei den Zumessungserwägungen im Rahmen des § 114 BRAO ist zu berücksichtigen, in welchem Maße durch die Pflichtverletzung des einzelnen Rechtsanwalts das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Anwaltsstandes betroffen ist und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft geschädigt wurde. Im Anschluss daran ist zu fragen, welche Maßnahme erforderlich ist, um zu erreichen, dass der Rechtsanwalt künftig seinen beruflichen Pflichten nachkommen wird und von ihm keine weiteren Gefahren für das rechtssuchende Publikum und die Rechtspflege mehr ausgehen (AGH Nordrhein-Westfalen, BeckRS 2013, 01051; Henssler/Prütting, 5. Aufl., § 114 BRAO Rn. 5; Weyland/Reelsen, 10. Aufl., § 114 BRAO Rn. 42). [39] Dabei ist es Aufgabe der Anwaltsgerichte, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den sie in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des betroffenen Rechtsanwalts gewonnen haben, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. [40] Nach Überzeugung des Gerichts ist die anwaltsgerichtliche Ahndung der festgestellten Pflichtverletzung des angeschuldigten Rechtsanwalts durch Ausspruch eines Verweises und Verhängung einer Geldbuße i.H.v. 250 Euro keinesfalls zu hoch, selbst wenn man zugunsten des angeschuldigten Rechtsanwalts berücksichtigt, dass er berufsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und im Hinblick auf die objektiven Umstände geständig ist. [41] Vor dem Hintergrund, dass die getätigten Äußerungen gegenüber seiner eigenen Mandantin einen gewissen Schweregrad erreichen, waren eine Geldbuße und ein Verweis jedoch zwingend notwendig, um dem angeschuldigten Rechtsanwalt die Beachtlichkeit des Berufsrechtsverstoßes hinreichend vor Augen zu führen, ihn anzuhalten, zukünftig seinen beruflichen Verpflichtungen nachzukommen und weitere Gefahren für das rechtssuchende Publikum und die Rechtspflege abzuwenden. HINWEISE DER REDAKTION: Im Falle von Äußerungen, die sich als eine Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück. Diese einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfG, BRAK-Mitt. 2019, 248 Ls.). Eine überzogene oder ausfällige Kritik stellt für sich genommen noch keine Schmähung dar. Vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht. Danach darf ein anwaltliches Verhalten nicht allein an einem möglichen Verstoß gegen den guten Ton oder das Taktgefühl gemessen werden. Für einen etwaigen Verstoß eines Rechtsanwalts gegen das Sachlichkeitsgebot muss vielmehr die Schwelle der Beleidigung überschritten sein (vgl. bereits AGH NordrheinWestfalen, BRAK-Mitt. 2016, 293). ZULASSUNG KEINE ZULASSUNG FÜR BRITISCHEN BARRISTER NACH BREXIT EuRAG §§ 2, 4, 11 ff., 43 * 1. Die im Jahre 2024 in Kraft getretene Regelung des § 43 EuRAG macht deutlich, dass nach dem „Brexit“ für Staatsangehörige eines Mitglieds der EU, eines anderen Vertragsstaates des EWR oder der Schweiz, die vor dem 1.1.2021 im Vereinigten Königreich eines Ausbildung abgeschlossen hatten, die dort zum unmittelbaren Zugang zu den Berufen „Advocate“, „Barrister“ oder „Solicitor“ berechtigt, nur noch die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation gemäß Teil 4 des EuRAG möglich sein sollte bzw. soll. BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 228
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