nete ihre Eingabe als „verleumderische Beschwerde“. In seiner an sie gerichteten E-Mail v. 1.2.2021 heißt es wörtlich: [9] „Und wo ist der restliche Schadensersatz den ich verlangt habe? Denken Sie, Sie können einfach lügen über mich bei staatlichen Stellen verbreiten, mir hier durch Arbeit bereiten und das hat keinerlei Konsequenzen für Sie? Natürlich hat das Konsequenzen. Wenn man lügt wie eine böse alte Frau, dann wird man auch völlig zu Recht zum Schadensersatz verurteilt. Und in der mündlichen Verhandlung werde ich sie bloßstellen, was für eine dreckige Lügnerin sie sind. Ich freue mich schon darauf.“ [10] Auf die Aufforderung des Vorstandes der RAK B., ihm die Handakte vorzulegen, antwortete er in seinem Schreiben v. 22.6.2021 u.a. das Folgende: [11] „... Um die Durchsetzung dieser Ansprüche ging es der Beschwerdeführerin aber auch gar nicht. Dies wird durch ihr Verhalten bewiesen. Tatsächlich ging es der Beschwerdeführerin einzig und allein darum, einen Rechtsanwalt zu beauftragen und diesen in eine Falle zu locken, damit sie sich über den Rechtsanwalt beschweren kann. Dies tut die Beschwerdeführerin zu ihrem Vergnügen, damit das Leben wenigstens noch diesen Sinn hat. Und bei einer solcher Beschwerdeführerin, die für ihre falschen Behauptungen keinen Beweis anbieten kann und deren Schilderungen vollkommen lebensfremd sind, werde ich von der Rechtsanwaltskammer zunächst mehrfach aufgefordert, Stellung zu nehmen und dann auch noch meine Akte vorzulegen, damit die Rechtsanwaltskammer sich etwaige Beweise heraussuchen kann. Dieses Ansinnen ist eine Unverschämtheit. Ein Rechtsanwalt wird haltlos mit Dreck beworfen. Ich bin aber nicht bereit, der Rechtsanwaltskammer meine Akte zu übersenden, damit der Beschwerdeführerin so die ihr obliegende Darlegungs- und Beweislast abgenommen wird. Wieder einmal hat mich eine allein querulatorische Beschwerde mehrere unbezahlte Stunden meiner verplanten Arbeitszeit gekostet. [12] Der Nachweis hätte auch nicht durch eine Einsichtnahme in meine Akte geführt werden können. Denn wenn das Schreiben tatsächlich hier eingegangen wäre, hätte ich es vor der Versendung der Akte natürlich aus der Akte herausgenommen. Alle ihre Stellungnahmeund Aktenvorlageverlangen an mich waren also vollkommen sinnlos. Für die Zukunft werde ich mir nun selbst helfen. Jede weitere eindeutig unberechtigte Inanspruchnahme durch Sie werde ich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft als strafbare Nötigung anzeigen.“ [13] In der Hauptverhandlung am 7.3.2025 erklärte der Verteidiger, dass sich der angeschuldigte Rechtsanwalt auf sein Vorlageverweigerungsrecht berufe; er machte ferner geltend, der angeschuldigte Rechtsanwalt sei über dieses Verweigerungsrecht nicht ausreichend belehrt worden. [14] III. Die Feststellungen zur Person beruhen auf den in der Hauptverhandlung erörterten Angaben aus der Anschuldigungsschrift, die durch den Verteidiger, der den nicht anwesenden Rechtsanwalt mit ausreichender Bevollmächtigung vertrat, bestätigt und ergänzt wurden. [15] Der Sachverhalt ergibt sich aus den Erklärungen des Verteidigers für den angeschuldigten Rechtsanwalt, soweit diesen gefolgt werden konnte sowie der im Protokoll aufgeführten und verlesenen Urkunden. [16] IV. Sowohl die getätigten Aussagen gegenüber Frau G. als auch die nicht erfolgte Herausgabe der Handakte an die RAK B. werden von dem angeschuldigten Rechtsanwalt nicht bestritten. Er ist lediglich der Auffassung, dass seine Wortwahl im Zusammenhang mit dem „Kampf ums Recht“ gesehen werden müsse und er der Aufforderung der RAK nicht habe nachkommen müssen, weil die Aufforderung von vornherein untauglich gewesen sei, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen. [17] V. Der angeschuldigte Rechtsanwalt hat schuldhaft gegen das Gebot verstoßen, sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich zu verhalten. Dies erfüllt den Tatbestand der Verletzung seiner Berufspflicht aus §§ 43, 43a III, 113 I BRAO. [18] 1. Dabei ist nicht zu verkennen, dass ein Rechtsanwalt mit den Verfahrensbeteiligten nicht stets so umgehen muss, dass sich diese nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich starke, eindringliche Ausdrücke benutzen. Es muss beim „Kampf um das Recht“ auch ein anwaltliches Verhalten hingenommen werden, das ungehörig, als Verstoß gegen den guten Ton und das Taktgefühlempfunden oder allgemein als unsachlich gewertet wird, selbst wenn es des Ansehens des Anwaltsstandes abträglich ist. Um einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a III BRAO annehmen zu können, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG sowie der berufsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. AGH Bremen, Urt. v. 17.9. 2009 – 1 AGH 3/09), die Schwelle zu sanktionswürdigen Pflichtverletzungen erst überschritten, wenn eine Herabsetzung nach Inhalt und Form als strafbare Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) zu beurteilen ist oder eine rechtliche Auseinandersetzung durch neben der Sache liegende Herabsetzung belastet wird, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben (vgl. BVerfGE 76, 171 = NJW 1988, 191; zuletzt: BVerfG, NJW 2008, 2424; AGH Saarland, NJW 2002, 2572 L = NJW-RR 2002, 923; AnwG Hamburg, NJW-RR 2009, 846). [19] Diese Schwelle hat der angeschuldigte RechtsanSchwelle überschritten walt mit seinen Äußerungen gegenüber Frau G. – der eigenen Mandantin – überschritten. Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten sind zu berücksichtigen. Die Meinungsfreiheit ist als individuelles Freiheitsrecht folglich auch um ihrer Privatnützigkeit willen gewährleistet und umBRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 224
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