BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG EUROPA *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) EuGH ZUR AUSBILDUNG ÖSTERREICHISCHER RECHTSANWALTSANWÄRTER AEUV Art. 45 Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein bestimmter Teil einer praktischen Verwendung, die für den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf erforderlich ist und während derer der Rechtsanwaltsanwärter über eine gewisse Vertretungsbefugnis vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats verfügt, bei einem in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt zu absolvieren ist und nach der die Absolvierung dieser praktischen Verwendung bei einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt auch dann ausgeschlossen ist, wenn dieser Rechtsanwalt in ersterem Mitgliedstaat zugelassen ist und die im Rahmen der praktischen Verwendung ausgeübten Tätigkeiten das Recht des ersteren Mitgliedstaats betreffen, so dass es den betroffenen Juristen somit auch nicht erlaubt ist, diesen Teil der praktischen Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat unter der Bedingung zu absolvieren, dass sie den zuständigen nationalen Behörden gegenüber nachweisen, dass dieser Teil der Verwendung, so wie er absolviert wird, ihnen eine Ausbildung und Erfahrung bieten kann, die mit jener Ausbildung und Erfahrung vergleichbar ist, die eine praktische Verwendung bei einem in ersterem Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt bietet. EuGH, Urt. v. 3.4.2025 – C 807/23 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Mit seiner vorliegenden Entscheidung legt der EuGH vor dem Hintergrund des Unionsrechts dar, dass die österreichische „praktische Verwendung“ – die sich in mehreren Punkten von dem deutschen Rechtsreferendariat unterscheidet – auch bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen, aber in Österreich zugelassen Rechtsanwalt abgeleistet werden kann. Ein milderes Mittel als die starr regulierte zwingende Notwendigkeit der praktischen Ausbildung im Inland sei zum Beispiel der Nachweis darüber, dass die dabei erworbenen praktischen Erfahrungen jenen gleichwertig sind, die im Rahmen einer entsprechenden Tätigkeit bei einem in Österreich niedergelassenen Rechtsanwalt gesammelt würden. Eine derartige Regelung wäre nach Auffassung des EuGH weniger eingriffsintensiv als die zur Vorabentscheidung gestellte restriktive Praxis der Rechtsanwaltskammer Wien. Zugleich betonte der EuGH, dass es wiederum in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt zu entscheiden, welche Kenntnisse und Fähigkeiten für den Zugang zu einem Beruf notwendig sind. DURCHSUCHUNG VON KANZLEIRÄUMEN UND BESCHLAGNAHME VERSTÖSST GEGEN EMRK EMRKArt. 8 * 1. Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei stellen einen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar. * 2. Wird eine Durchsuchung ohne eine vorherige richterliche Anordnung durch nationale Behörden angeordnet und durchgeführt, sind ein rechtlicher Rahmen und sehr strenge Grenzen für solche Befugnisse erforderlich, um den Einzelnen vor willkürlichen Eingriffen der Behörden in die durch Art. 8 EMRK garantierten Rechte zu schützen. * 3. Die Begleitung der Durchsuchung einer Anwaltskanzlei durch einen unabhängigen Beobachter wie beispielsweise einen Vertreter der Rechtsanwaltskammer gewährleistet keinen hinreichenden Schutz, wenn der Beobachter nicht die Befugnis hat, in irgendeiner Weise in die Durchsuchung einzugreifen, um den wirksamen Schutz von Informationen zu gewährleisten, die unter das Anwaltsgeheimnis fallen könnten. EGMR, Urt. v. 3.4.2025 – 57748/21 Volltext in englischer Sprache unter https://hudoc.echr. coe.int. HINWEISE DER REDAKTION: Die hiesige Entscheidung des EGMR v. 3.4.2025 ins Bild genommen, kristallisiert sich insoweit eine Rechtsprechungslinie heraus, als dass der Gerichtshof allein dieses Jahr in zwei früheren Entscheidungen unzureichende rechtliche Schutzmaßnahmen für den Schutz der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandanten und damit einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK anmahnte: So entschied der EGMR bereits am 23.1.2025 in Sachen Reznik v. Ukraine (Nr. 31175/14), dass die Durchsuchung des WohnEUROPA BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 222
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