BRAK-Mitteilungen 3/2025

Handakte beschränken, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen.6 6 BGH, MDR 2023, 1205; MDR 2023, 52. Drängten sich keine solchen Zweifel auf, brauche der Anwalt nicht noch zusätzlich überprüfen, ob die Frist tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen sei. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher Form als Papierakte oder als elektronische Akte geführt wird.7 7 BGH, NJW 2020, 2641. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass mehrere Senate des BAG bis dahin strengere Maßstäbe als der BGH angelegt und gefordert hatten, dass der Anwalt auch selbst den Eintrag im Fristenkalender überprüfen müsse. Diese Rechtsprechung gab das BAG nun ausdrücklich auf, nachdem der 6. Senat bei den anderen Senaten gem. § 45 III 1 ArbGG angefragt und diese erklärt hatten, dass sie sich der jetzigen Ansicht des 6. Senats und der Rechtsprechung des BGH anschließen wollten. (hg) VORÜBERGEHENDE UNERREICHBARKEIT DER JUSTIZSERVER FÜR STRAFVERTEIDIGER Die von § 32d S. 4 Hs. 1 StPO vorgeschriebene Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich, wenn der Grund der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit i.S.v. § 32d S. 3 StPO gerichtsbekannt oder allgemeinkundig ist. OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.2.2025 – 1 Ws 44/25 Das Amtsgericht hatte die Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Hiergegen legte die Verteidigerin am letzten Tag der einwöchigen Frist Berufung ein, und zwar zunächst per Telefax und am selben Tag noch einmal als Anhang an eine E-Mail. Letztere wurde erst zwei Tage später ausgedruckt und zur Gerichtsakte genommen. In dieser Mail hatte die Verteidigerin ausgeführt, dass die Übermittlung per beA wegen Wartungsarbeiten im Bereich der Justiz Baden-Württemberg nicht möglich war. Später wurde hilfsweise auch ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Das Landgericht verwarf die Wiedereinsetzungsantrag und auch die Berufung als unzulässig. Das OLG Stuttgart hingegen hält die dagegen vorgebrachte sofortige Beschwerde für begründet. Auch im Strafprozess gilt die Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten ans Gericht gem. § 32d S. 1 StPO. Bei vorübergehender Unmöglichkeit kann die Ersatzeinreichung ausreichen, wenn die Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft gemacht wird. Es gelten also die gleichen Grundsätze wie im Zivilprozess. Das OLG ist der Ansicht, hier sei ausnahmsweise die Glaubhaftmachung entbehrlich gewesen. Anders als bei technischen Problemen, die in der Sphäre der Verteidigung liegen, war die vorübergehende fehlende Erreichbarkeit der Justizserver wegen Wartungsarbeiten hier gerichtsbekannt und wurde auch veröffentlicht. Die Berufung war damit also rechtzeitig eingelegt und es kam auf den späteren Wiedereinsetzungsantrag nicht an. Sicherer ist es wie in diesen Fällen stets, Screenshots zu fertigen und diese mit vorzulegen. Neben dem Hinweis auf die vorübergehende Unmöglichkeit kann dann auch umgehend ein Wiedereinsetzungsantrag nachgeschoben werden, wenn die ursprüngliche Frist abgelaufen ist. Falls es nämlich bei Einreichung des Schriftsatzes zu einem vorwerfbaren Verhalten der Verteidigung und damit zum Fristversäumnis kam, bekommt der Mandant im Strafrecht Wiedereinsetzung auch bei anwaltlichem Verschulden, § 44 StPO. Diese einfache Möglichkeit wäre im Zivilprozess wegen § 85 II ZPO natürlich nicht gegeben. (bc) NOTWENDIGE VORSICHTSMASSNAHMEN BEI ÜBERGABE DES MANDATS WEGEN KURZFRISTIGER KRANKHEIT Auch im Falle einer unvorhergesehenen Erkrankung und einer damit zusammenhängenden Mandatsübertragung trägt der Verfahrensbevollmächtigte die Verantwortung für die richtige Eintragung und Streichung der Fristen bis der übernehmende Anwalt die Fristenüberprüfung sicherstellen kann. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 19.2.2025 – XII ZB 420/24 In einer Familiensache war Beschwerde durch den Verfahrensbevollmächtigten eingelegt worden. Es kam jedoch nicht zur Begründung des Rechtsmittels, weil der Bevollmächtigte kurz vor Fristablauf arbeitsunfähig erkrankt war. Im Wiedereinsetzungsantrag trug er vor, dass sich ein anderer Anwalt bereiterklärt hatte, die Fristsache für ihn zu bearbeiten. Daher habe er seine Kanzleikraft angewiesen, die Akten rechtzeitig zum Kollegen zu bringen. Das allerdings habe die Angestellte dann vergessen, was sie auch an Eides statt versicherte. Das Kammergericht hatte den so begründeten Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten sei nicht ausgeräumt. In einem solchen Fall der kurzfristigen Mandatsübertragung wegen plötzlicher Erkrankung würden die gleichen Grundsätze gelten, die die Rechtsprechung für den Übergang des Mandats vom erstinstanzlich tätigen zum zweitinstanzlich tätigen Anwalt entwickelt habe. Danach sei sicherzustellen, dass die Fristen beim abgebenden Anwalt erst dann gelöscht werden, wenn die Akten beim übernehmenden Anwalt eingegangen und dieser die Übernahme bestätigt habe. Dazu sei hier nicht einmal vorgetragen worden. Wäre die Frist aber korrekt eingetragen und nicht gelöscht worden, hätte bei korrekter Fristenkontrolle auch rechtzeitig auffallen müssen, dass die Akten versehentlich nicht zum übernehmenden Anwalt gebracht wurden. Der BGH bestätigt diese Entscheidung. Es sei nicht einmal vorgetragen worden, dass die Frist überhaupt richtig eingetragen war. Das reicht eben für eine Wiedereinsetzung nicht aus. (bc) AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 207

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