PFLICHT ZUR AUSGANGSKONTROLLE, INSBESONDERE, OB RICHTIGE DATEI PER beA VERSENDET 1. Die Pflicht zur Ausgangskontrolle beim Versand per beA erstreckt sich u.a. darauf, ob die Übermittlung vollständig und an das richtige Gericht erfolgte sowie – anhand des zuvor vergebenen Dateinamens – ob die richtige Datei übermittelt wurde. 2. Das Gericht ist nicht gehalten, dem Anwalt bei für das Gericht nicht offensichtlichen Versehen einen Hinweis zu erteilen. (eigene Ls.) BGH, Beschl. v. 11.2.2025 – VIII ZB 65/23 Hier hatte die Kanzlei vom OLG eine Verlängerung einer Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.8.2023 erhalten. Am 25.7.2023 ging beim Gericht eine beA-Sendung ein. Die übermittelte Datei im msg-Format trug im Namen den Begriff „E-Mail“ und war an den Mandanten des Anwalts gerichtet. Beigefügt war eine an den Mandanten gerichtete Honorarrechnung (Format „msg.P7S“). Eine Berufungsbegründung ging nicht bei Gericht ein. Nach Ablauf der Frist erteilte das OLG einen entsprechenden Hinweis. Daraufhin beantragte der Anwalt Wiedereinsetzung. Er habe bereits am 25.7. die Berufungsbegründung übermitteln wollen. Seine Sekretärin sei in Urlaub gewesen, daher habe er den Versand selbst durchgeführt. Dabei habe er versehentlich nicht den Begründungsschriftsatz ausgewählt, sondern die in der Schriftsatzhistorie des Anwaltsprogramms unmittelbar daneben positionierte Mail an den Mandanten mit der Rechnung. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Der BGH verwarf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde als unzulässig. Anwälte seien verpflichtet, in der Kanzlei eine Postausgangskontrolle zu schaffen. Dies sei auch bei der Nutzung des beA unerlässlich. Dies erfordere zunächst die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a V 2 ZPO erteilt wurde. Die Kontrollpflichten erstreckten sich u.a. darauf, ob die Übermittlung vollständig und an das richtige Gericht erfolgte sowie – anhand des zuvor vergebenen Dateinamens – ob die richtige Datei übermittelt wurde. Der Anwalt müsse sein Personal entsprechend anweisen; übernehme er die Versendung selbst, müsse er die Kontrolle selbst vornehmen. Hier sei eine derartige Kontrolle schon nicht vorgetragen. Das OLG sei nicht verpflichtet gewesen, dem Anwalt einen Hinweis zu erteilen. Zwar dürfe ein Gericht nicht sehenden Auges zulassen, dass ein offenbares Versehen zu einer Fristversäumung führe. Hier habe es aber gerade nicht offen zutage gelegen, dass am 25.7. schon die Berufungsbegründung übermittelt werden sollte, deren Frist noch weiträumig offen war. Einen möglichen einfachen Fehler bei der Adressierung der Mail an den Mandanten müsse das Gericht nicht durch einen Hinweis korrigieren. Insofern sei der Fall nicht mit Fallgestaltungen zu vergleichen, in denen ein Schriftsatz versehentlich bei einem unzuständigen Gericht eingeht3 3 BGH, NJW 2011, 2053; NJW 2018, 165; ZIP 2023, 1614. oder an einem offensichtlichen äußeren formalen – ohne Kenntnis der Akten und ohne inhaltliche Prüfung unschwer erkennbaren – Mangel, etwa einer fehlenden Unterschrift, leidet.4 4 BGH, NJW-RR 2009, 564; NJW-RR 2024, 113. Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass diese Ausgangskontrolle (wie früher beim Fax-Sendebericht) vorzunehmen ist und dass insbesondere zu prüfen ist, ob die richtige Datei versendet wurde.5 5 BGH, NJW-RR 2022, 1069; NJW 2022, 1820; NJW 2022, 3715. Dazu solle ein aussagefähiger Dateiname vergeben werden – was hier sogar der Fall war, so dass der Fehler unschwer hätte erkannt werden können. Aber auch ohne aussagefähigen Dateinamen kann die Kontrolle ja unschwer dadurch erfolgen, dass man die versendete Datei noch einmal öffnet und kontrolliert. (hg) WIEDEREINSETZUNG: BAG LOCKERT ANFORDERUNGEN UND SCHLIESST SICH DEM BGH AN Ein Rechtsanwalt verletzt die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in Fristsachen nicht, wenn er sich in Bezug auf den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränkt, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen. Ist das nicht der Fall, bedarf es keiner zusätzlichen Prüfung, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist. BAG, Urt. v. 20.2.2025 – 6 AZR 155/23 Gegen ein am 9.5.2023 zugestelltes Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde vom Anwalt fristgerecht die (zugelassene) Revision eingelegt. Eine Revisionsbegründung ging zunächst nicht beim BAG ein. Auf einen Hinweis des Senats reichte der Anwalt die Revisionsbegründung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Seine Mitarbeiterin habe die Revisionsbegründungsfrist zutreffend auf den 10.7.2023 errechnet und auf dem Urteil in der Handakte vermerkt, dass sie diese Frist im Kalender notiert habe. Im Fristenkalender notierte sie jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen den 10.8.2023 sowie eine durch Rückblättern ermittelte Vorfrist auf den 24.7. Die Handakte mit dem Urteil und dem Vermerk darauf sei dem Anwalt vorgelegt worden. Das BAG gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (und gab der Revision auch in der Sache statt). Die Fristversäumung sei nicht vom Anwalt verschuldet worden (§ 85 II ZPO). Ein Anwalt müsse den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Der Rechtswalt müsse in diesem Fall auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in der Handakte prüfen. Dabei dürfe er sich allerdings grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 AUFSÄTZE 206
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