BRAK-Mitteilungen 3/2025

Leider haben wir für diese Ausgabe kaum „Material“ an Haftungsurteilen. Deswegen besprechen wir hier ein amtsgerichtliches Urteil, das zwar keine bahnbrechenden Neuigkeiten enthält, aber die höchstrichterliche Rechtsprechung schulmäßig anwendet. Dem Anwalt wurde vorgeworfen, den Mandanten nicht bzw. sogar unzutreffend über erhebliche Risiken einer Klage gegen ehemalige Mieter wegen unzureichender Schönheitsreparaturen und Schäden der Mietwohnung aufgeklärt zu haben. Die Klage wurde abgewiesen, weil die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam sei und weil in dem Übergabeprotokoll bei Rückgabe ein (negatives) deklaratorisches Anerkenntnis zu sehen sei. Der Anwalt trug vor, er habe die Erfolgsaussichten durch einen externen Kollegen prüfen lassen. Dieser habe die Erfolgsaussichten einer Klage in einem Vermerk als „mehr als gering“ eingestuft. Diesen Vermerk habe er mit dem Mandanten besprochen; dieser habe gleichwohl Klageauftrag erteilt, was er seinerseits in einem Aktenvermerk festgehalten habe. Das AG wies die Haftpflichtklage gegen den Anwalt ab. Dieser habe substantiiert dargetan, dass er den Mandanten über die Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Mieter hinreichend aufgeklärt habe. Der Mandant habe den ihm obliegenden Beweis einer unzureichenden oder gar falschen Beratung nicht erbracht. Das AG war aber sogar der Überzeugung, dass der Anwalt den Mandanten zutreffend beraten habe. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bezüglich einer behaupteten anwaltlichen Pflichtverletzung entspricht der ständigen Rechtsprechung. Eine Pflichtverletzung ist Anspruchsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt. Daher liegt die Beweislast beim Mandanten (Beweismaß § 286 ZPO, Vollbeweis), und zwar grundsätzlich auch für sog. negative Tatsachen. Den Anwalt trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, wie er den Mandanten konkret beraten hat.1 1 Z.B. BGH, NJW 1987, 1322; NJW 1994, 3295; NJW 2011, 2889. (hg) FRISTEN beA VOR MITTERNACHT – WAS ZU BEACHTEN IST 1. Die anwaltliche Sorgfalt gebietet es, bei technischer Unmöglichkeit der Übersendung nach § 55d S. 1 VwGO rechtzeitig von der durch § 55d S. 3 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, das Dokument nach den allgemeinen Vorschriften zu übermitteln. 2. Für die Anwendbarkeit des § 55d S. 3 VwGO ist es unerheblich, ob die Gründe für die technische Unmöglichkeit – solange es sich um eine technische Unmöglichkeit, also nicht eine persönliche Unmöglichkeit wie etwa fehlende Kenntnisse bei der Bedienung der Software handelt – in der Sphäre des Gerichts oder des Einreichenden liegen. BayVGH, Beschl. v. 22.8.2024 – 22 ZB 23.1411, NVwZ-RR 2024, 933 1. § 130d S. 2 ZPO enthält keine unmittelbare Verpflichtung zur Ersatzeinreichung; kann eine Frist im Wege der Ersatzeinreichung aber noch gewahrt werden, scheidet eine Wiedereinsetzung aus. 2. Das Ausweichen auf eine andere als die gewählte Übermittlungsart kann geboten sein, wenn der Zusatzaufwand geringfügig und zumutbar ist und diese von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt wurde, er also mit seiner Nutzung vertraut ist. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.1.2025 – 9 U 75/24, NJW-RR 2025, 442 Mitternachtsfaxe(n) waren früher eine heikle Angelegenheit. Wer geglaubt hat, dass die Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA kurz vor Mitternacht weniger gefährlich ist, weil §130d S. 2 ZPO bzw. die entsprechenden Vorschriften in den anderen Verfahrensordnungen bessere Rettungsmöglichkeiten bieten, muss sich von einigen strengen Gerichten eines Besseren belehren lassen – so von den hier zitierten BayVGH und OLG Frankfurt. In beiden Fällen misslang die Übermittlung aus dem beA vor Mitternacht: Im Fall des BayVGH hatte der Prozessbevollmächtigte die Übertragung um 23:40 Uhr begonnen; sie hakte indes, sodass er sich kurz vor Mitternacht entschloss, die Übertragung abzubrechen und den Rechner neu zu starten. Die Übertragung gelang erst um 00:40 Uhr. Im Fall des OLG Frankfurt hatte der Prozessbevollmächtigte bereits um 23.15 Uhr begonnen, er konnte sich jedoch trotz ordnungsgemäßer Ausrüstung nicht im beA-Portal anmelden und richtete schließlich einen Zugang auf einem alternativen Notebook ein – leider neun Sekunden zu spät. Eine Ersatzeinreichung auf anderem Wege versuchten beide nicht. § 130d S. 2 ZPO bietet als Rettungsmöglichkeit die Ersatzeinreichung auf anderem Wege, beispielsweise per Fax, an. Erfolgt diese innerhalb offener Frist, bleibt die Einreichung formzulässig, und zwar unabhängig davon, ob der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Übermittlung aus dem beA ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten zugrunde liegt. Erfolgt hingegen gar keine Ersatzeinreichung, bleibt nur der Weg über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hier ist das Verschulden indes relevant, soweit es der Partei über § 85 II ZPO zugerechnet wird. Bei der Verschuldensprüfung ist in erster Linie maßgeblich, aus welchen Gründen keine rechtzeitige Ersatzeinreichung vorgenommen wurde. Die Gerichte setzen aber bereits einen Schritt vorher an: Ob nämlich überhaupt rechtzeitig mit der Übermittlung aus dem beA begonnen wurde. Die frühere Rechtsprechung zum Telefax verlangte einen Sicherheitszuschlag, der von der Anzahl der zu übermittelnden Seiten abhing und meist die BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 AUFSÄTZE 204

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