BRAK-Mitteilungen 3/2025

Mitteilungen, die den Ausgeschiedenen nur persönlich betreffen (z.B. Korrespondenz zwischen ihm und der Rechtsanwaltskammer oder dem Versorgungswerk). Hauptfall werden allerdings Nachrichten zu Mandaten sein, die der Ausgeschiedene mitgenommen hat. Dass hier die Sozietät eine Weiterleitungspflicht trifft, ist selbstverständlich. Der Teufel steckt allerdings im Detail. Denn einem hereinkommenden Brief, einer hereinkommenden beA-Nachricht oder einer hereinkommenden E-Mail, die formell an den Ausgeschiedenen gerichtet ist, sieht man nicht ohne Weiteres an, ob sie an diesen weiterzuleiten ist oder ob sie Mandate betrifft, die in der Sozietät verblieben sind und nunmehr von anderen Sachbearbeitern betreut werden. Weiterzuleitende von nicht-weiterzuleitenden Nachrichten zu unterscheiden, ist häufig nur nach Lektüre zumindest der Betreffzeile, mitunter aber auch des Textes möglich. Was hier sachgerecht und erlaubt ist, ist rechtlich so diffizil und zugleich einem so raschen technischen Wandel unterworfen, dass die Satzungsversammlung davon bewusst abgesehen hat, hier irgendwelche genaueren Regeln aufzustellen. Einfacher ist der umgekehrte Fall, nämlich dass den Ausgeschiedenen Nachrichten erreichen, die entweder Irrläufer sind, d.h. eigentlich andere Anwälte der Sozietät betreffen, oder aber solche Mandate betreffen, die in der Sozietät geblieben sind und nun von anderen Sachbearbeitern betreut werden. Hier trifft den Ausgeschiedenen unproblematisch eine Pflicht, solche Nachrichten an seine frühere Sozietät weiterzuleiten. Die Weiterleitung hat in beiden Fällen „unverzüglich“ zu erfolgen, die Art und Weise der Weiterleitung richtet sich jeweils nach den technischen Gegebenheiten und den Umständen des Einzelfalls. X. VERMITTLUNG IM STREITFALL (§ 32 VII BORA) Können sich die Sozietät und der ausgeschiedene Anwalt nicht oder nicht vollständig über die Modalitäten des Ausscheidens einigen, führt das häufig zur Klage beim Landgericht (oder zur Einleitung eines Schiedsverfahrens, falls der Sozietätsvertrag das vorsieht). Diese Mechanismen sind zur Konfliktlösung regelmäßig ungeeignet. Sie dauern lange, sind teuer, der Streitstoff wuchert ständig aus und häufig lässt sich auch die Hineinziehung von Mandanten in den Rechtsstreit nicht vermeiden. Zu einem regelrechten Alptraum werden gerichtliche Verfahren, wenn in einer Vielzahl von Mandaten um die korrekte Abgrenzung der Abrechnung gestritten wird. Häufig bleibt dann dem Gericht nur der Weg über eine mutige Schätzung nach § 287 ZPO, wenn der Prozess sich nicht über Jahre hinziehen und Dutzende von Zeugen gehört werden sollen. Der erfahrungsgemäß viel bessere Weg ist eine Mediation oder eine außergerichtliche Schlichtung. Am besten gelingt das, wenn beide Parteien einen Berufskollegen als Mediator/Schlichter gewinnen können, z.B. einen Partner im Ruhestand, einen Kollegen aus einer befreundeten Kanzlei etc. Wenn erst einmal ein Kollege mit entsprechendem Standing und kühlem Kopf die Parteien an einen Tisch bringt, die Streitpunkte herausarbeitet und sich dann Schritt für Schritt um eine einvernehmliche Regelung bemüht, glätten sich die Wogen erfahrungsgemäß schnell. Kennen oder finden die Beteiligten keine geeignete Vertrauensperson, bietet sich eine Vermittlung/Schlichtung über die Rechtsanwaltskammer nach § 73 II Nr. 2 BRAO an. Diese Möglichkeit wird leider in der Praxis viel zu selten genutzt. Die Erfahrung zeigt, dass die Kammern häufig persönlich und fachlich geeignete Schlichter benennen, die Schlichtungsverfahren auch zügig und mit hohen Erfolgsquoten durchführen. Aus Sicht der Satzungsversammlung wäre es sachgerecht gewesen, einen Schlichtungsversuch zwingend vorzuschreiben, bevor der – häufig selbstzerstörerische – Weg zum Landgericht beschritten wird. Allerdings hätte damit die Satzungsversammlung ihre Kompetenz überschritten, weil hier Grundsätze der ZPO und des Verjährungsrechts des BGB berührt gewesen wären. Die Satzungsversammlung hat es deshalb bei dem ebenso dringenden wie unverbindlichen Appell an die Beteiligten belassen. XI. GELTUNGSBEREICH (§ 32 VIII BORA) Abs. 8 der Neuregelung stellt zunächst klar, dass – wie bei § 32 BORA a.F. – die gesamte Regelung des § 32 BORA auch für Scheinsozietäten und Scheingesellschafter gilt. 1. SCHEINSOZIETÄT Von einer Scheinsozietät spricht man, wenn tatsächlich keine Berufsausübungsgesellschaft i.S.d. §§ 59c ff. BRAO besteht, aber im Außenverhältnis ein solcher Eindruck erweckt wird. Hauptfall ist die Bürogemeinschaft (§ 59q BRAO), die sich nach außen als Sozietät geriert. Denkbar ist aber auch der Einzelanwalt, der einen anderen Anwalt als Angestellten oder Freien Mitarbeiter beschäftigt und nach außen den Eindruck einer gleichberechtigten Sozietät erweckt. 2. SCHEINGESELLSCHAFTER Von einem Scheingesellschafter spricht man, wenn tatsächlich eine Sozietät (Berufsausübungsgesellschaft) i.S.d. §§ 59c ff. BRAO besteht, jedoch nach außen der Eindruck erweckt wird, auch Angestellte und als Freie Mitarbeiter beschäftigte Anwälte seien echte Partner/ Gesellschafter. Wer Scheingesellschafter beschäftigt, muss sich dann auch bei deren Ausscheiden so behandeln lassen, als seien diese echte Gesellschafter/Partner gewesen, so dass dann der volle Katalog der Absätze 2 bis 7 des neuen § 32 BORA gilt. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 199

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