BRAK-Mitteilungen 3/2025

VII. ABRECHNUNG (§ 32 IV BORA) Bislang ungeregelt war das Abrechnungsverhalten. Tatsächlich ist dies einer der häufigsten und auch am härtesten umkämpften Streitpunkte in vielen Auseinandersetzungen mit ausscheidenden Partnern. Hintergrund ist, dass der Ausscheidende häufig in der Zeit zwischen Kündigung und Ausscheiden nicht mehr korrekt abrechnet. Das mag daran liegen, dass der Ausscheidende von den nach seinem Ausscheiden hereinkommenden Honoraren finanziell nicht mehr profitiert. Eine Rolle wird aber häufig auch spielen, dass der Ausscheidende in den meist hektischen Wochen vor dem Ausscheiden einfach nicht mehr zum Abrechnen kommt. Hat der Ausscheidende ohne Abrechnung die Sozietät verlassen, steht diese häufig vor dem Problem, dass sie die Akten nicht kennt, vielleicht auch die Honorarvereinbarungen nicht vernünftig dokumentiert sind oder aber Zeitaufschriebe fehlen. Noch problematischer ist die nicht selten zu beobachtende Tendenz, dass ausscheidende Partner in Mandaten, die sie mitnehmen wollen, ganz bewusst nicht mehr zugunsten der Sozietät abrechnen, sondern die Abrechnung bis zur Zeit nach dem Ausscheiden hinausschieben, um dann die Rechnung auf sich selbst oder ihre neue Sozietät zu ziehen. Je nach den Umständen liegt in einem solchen Verhalten eine schlichte Untreue, was aber nichts daran ändert, dass es vorkommt. Hier setzt der neue Abs. 4 an und verpflichtet den ausscheidenden Partner, alle bis zum Ausscheiden fällig gewordenen Honorare auch tatsächlich zugunsten der Sozietät abzurechnen. Bei Abrechnung nach RVG betrifft das alle bis dahin entstandenen Gebühren, bei Abrechnung auf Zeitbasis alle bis zum Ausscheiden angefallenen Zeiten. Sofern, vor allem bei Zeithonoraren, eine Abrechnung auf den Zeitpunkt des Ausscheidens nicht tunlich6 6 Einige Mitglieder der Satzungsversammlung haben sich an dem altmodischen Wort „untunlich“ gestoßen, aber „unangebracht“ oder „nicht ratsam“, wäre auch nicht treffender gewesen. ist, muss der Ausscheidende die angefallenen Zeiten nebst Tätigkeitbeschreibung so dokumentieren, dass die Sozietät später abrechnen kann. Man denke etwa an den Fall, dass der Mandant über einen kleinen Fehler oder eine Ungeschicklichkeit der Sozietät verstimmt ist. Just in diesem Moment eine Rechnung zu schicken, die vielleicht auch noch höher als erwartet ausfällt, könnte zur Gefährdung der Mandatsbeziehung führen. Geschickter ist es, mit der Abrechnung noch etwas zu warten, bis sich die Wogen wieder geglättet haben oder die Sozietät einen Zwischenerfolg vermelden kann. VIII. MITNAHME VON MANDANTEN/ MANDATEN (§ 32 V BORA) Wie oben bereits erwähnt, stellt die „Mitnahme“ von Mandaten rechtstechnisch die Kündigung der bestehenden Mandatsbeziehung zur Sozietät durch den Mandanten und die Neubegründung einer Mandatsbeziehung des Mandanten mit dem ausgeschiedenen Partner bzw. dessen neuer Sozietät dar. Wenn der Mandant mit dem Ausscheidenden mitgehen will, braucht dieser naturgemäß die Akten, egal ob in Papierform oder in elektronischer Form. Hier gilt grundsätzlich der Herausgabeanspruch nach § 50 BRAO, § 666 BGB. Dieser Herausgabeanspruch steht jedoch nur dem Mandanten zu, nicht dem ausscheidenden Anwalt. Folglich musste zunächst der Mandant die Handakte von der Sozietät herausfordern, und sie dann nach Erhalt dem ausgeschiedenen Anwalt bzw. dessen neuer Sozietät zur Verfügung stellen. Diese umständliche Herausgabe „im Dreieck“ kürzt der neue Abs. 4 ab und regelt eine berufsrechtliche Pflicht zur unmittelbaren Herausgabe der Akten an den ausgeschiedenen Anwalt bzw. dessen neue Sozietät. Das dient dazu, die Pflicht zur zügigen Mandatsbearbeitung aus § 11 BORA jederzeit erfüllen zu können. Auch vermeidet die direkte Herausgabe an den ausgeschiedenen Anwalt, dass die Akten erst umständlich daraufhin durchgesehen werden müssen, ob sich darin Schriftstücke befinden, die nicht an den Mandanten gelangen sollten (z.B. interne Vermerke betreffend dessen finanzielle Lage oder Glaubwürdigkeit). Die Herausgabe hat in geeigneter Form zu erfolgen, so dass je nach den Umständen des Einzelfalls die Herausgabe einer Papierakte oder eines Datenträgers geschuldet ist. Die haftungs- und datenschutzrechtliche Frage, ob damit eine Löschungs- bzw. Aktenvernichtungspflicht der abgebenden Sozietät einhergeht, oder diese ein berechtigtes Interesse daran hat, zum Zwecke der sachgerechten Verteidigung in künftigen potenziellen Rechtsstreitigkeiten (z.B. betreffend Honorar oder Berufshaftung) Akten oder Kopien davon aufzubewahren, hat die Satzungsversammlung bewusst offen gelassen. Dasselbe gilt für die Frage, ob sich bei Papierakten der Herausgabeanspruch auf die Originale richtet oder nur Kopien verlangt werden können. Der letzte Satz von Abs. 5 stellt klar, dass das Zurückbehaltungsrecht nach § 50 III BRAO auch im Rahmen von § 32 BORA gilt. Solange noch Honorarrechnungen unbezahlt sind, hat die abgebende Sozietät also auch im Rahmen von § 32 BORA ein Zurückbehaltungsrecht. IX. WECHSELSEITIGE WEITERLEITUNG VON NACHRICHTEN (§ 32 VI BORA) Besonders problematisch und damit auch konfliktträchtig sind die nachlaufenden Pflichten zu wechselseitiger Information. Diese betreffen beide Seiten. Nach dem Ausscheiden gehen oft bei der Sozietät noch Nachrichten für den Ausgeschiedenen ein, sei es per Post, E-Mail, WhatsApp oder beA, die die Sozietät nichts mehr angehen. Dies können private Mitteilungen sein, aber auch DILLER, AUSSCHEIDEN AUS EINER SOZIETÄT – DIE NEUREGELUNG DES § 32 BORA BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 AUFSÄTZE 198

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