BRAK-Mitteilungen 3/2025

einer Sozietät, nämlich die Mitnahme von Mandaten/ Mandanten. Entsprechend dem Grundsatz der Dispositivität gilt Abs. 2 selbstverständlich nur, wenn der ausscheidende Partner überhaupt Mandate mitnehmen dürfte. Ist ihm das wegen einer Mandantenschutzklausel untersagt (wobei ihm im Gegenzug eine Abfindung zustehen muss, sonst wird die Regelung regelmäßig unbillig sein), existiert eine abweichende Regelung i.S.v. Abs. 1 und eine Befragung der Mandanten kommt nicht in Betracht. 1. LAUFENDES MANDAT Eine Mandantenbefragung i.S.v. Abs 2 setzt zweierlei voraus. Zum einen muss es sich um ein noch laufendes Mandat handeln. Ist das Mandat bereits abgeschlossen, findet keine Befragung statt. Falls derselbe Mandant später ein neues Mandat erteilen will, greift stattdessen Abs. 3 ein, d.h. die Sozietät hat dem anfragenden Mandanten die Kontaktaufnahme mit dem ausgeschiedenen Anwalt zu ermöglichen, wenn er dies wünscht. 2. BEFASSUNG DES AUSSCHEIDENDEN MIT DEM MANDAT Zweite Voraussetzung von Abs. 2 ist, dass der Ausscheidende mit dem Mandat befasst war. Wurde ein Mandat hingegen ausschließlich von anderen Berufsträgern der Sozietät bearbeitet, findet keine Befragung statt. Es ist intensiv diskutiert worden, ob die Befragungspflicht voraussetzt, dass eine Bearbeitung „federführend“, „wesentlich“ oder jedenfalls „nicht ganz untergeordnet“ sein muss. Die Satzungsversammlung hat davon Abstand genommen, insoweit ein bestimmtes Maß der Beteiligung vorauszusetzen, weil eine solche Regelung praktisch kaum handhabbar gewesen wäre. Selbstverständlich sollte sein, dass ganz untergeordnete Beiträge wie z.B. das Unterzeichnen von Schriftsätzen i.V. oder eine Urlaubsvertretung, die sich in Terminverlegungsanträgen erschöpft hat, nicht ausreichen. In der Praxis setzt man sich typischerweise zusammen und geht durch, in welchen Mandaten eine Befragung erfolgen soll und in welchen nicht. Der ausscheidende Partner hat ja nichts davon, eine Befragung auch in solchen Mandaten zu erzwingen, in denen er nicht relevant in Erscheinung getreten ist, denn dann wird er keine realistische Chance haben, dass Mandanten mit ihm mitgehen. 3. EINSEITIGE BEFRAGUNG Im Regelfall wird man sich über den Text der Anschreiben und den Zeitpunkt der Versendung abstimmen. Gelingt das nicht, haben – wie schon nach der bisherigen Regelung – beide Parteien das Recht, die Mandanten einseitig anzuschreiben. Nach der Neuregelung des Satz 2 soll die getrennte Befragung allerdings nicht früher als einen Monat vor dem Ausscheiden erfolgen, damit Hängepartien vermieden werden und rasch Klarheit herbeigeführt werden kann. Das Recht zur einseitigen Befragung ist eine Durchbrechung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die ansonsten während der Zugehörigkeit zur Sozietät Abwerbeversuche verbietet. 4. „MITNAHME“ VON MANDATEN Zu beachten ist, dass Mandate nach ständiger Rechtsprechung im Zweifel der Sozietät erteilt werden, nicht dem sachbearbeitenden Partner.5 5 Z.B. BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, NJW 2021, 2435. Die „Mitnahme“ von Mandaten ist also rechtstechnisch die Kündigung des bestehenden Mandatsverhältnisses zur Sozietät, die nach § 627 BGB jederzeit ohne Grund möglich ist, und die Begründung einer neuen Mandatsbeziehung zu dem ausscheidenden Partner oder dessen neuer Sozietät. Das bedeutet zugleich, dass das Mandat bei der Sozietät bleibt, wenn der Mandant auf die Befragung nicht antwortet. VI. MITTEILUNG DER KONTAKTDATEN DES AUSGESCHIEDENEN (§ 32 III BORA) Nach der bisherigen Regelung des § 32 BORA a.F. war die Sozietät verpflichtet, für ein Jahr einen Umzugshinweis am Kanzleisitz und auf der Internetseite zu dulden. Außerdem waren auf Anfrage die Kontaktdaten des Ausscheidenden mitzuteilen. Es ist in der Satzungsversammlung diskutiert worden, ob diese Regelung in der modernen Informationsgesellschaft noch zeitgemäß ist. Normalerweise ist jede Anwältin bzw. jeder Anwalt für das rechtsuchende Publikum im Handumdrehen zu finden, sei es über das elektronische Anwaltsregister (§ 31 BRAO) oder allgemein durch Internetsuchmaschinen. Gleichwohl erschien es der Satzungsversammlung geboten, die Pflicht der Sozietät beizubehalten, die Kontaktaufnahme mit dem ausgeschiedenen Partner für das rechtsuchende Publikum auch ohne Internet zu gewährleisten. Wie das im Einzelnen zu geschehen hat, wurde bewusst medienoffen formuliert, es sind jeweils die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Naheliegend sind z.B. Auto-Response-Nachrichten auf eingehende E-Mails. Eine Angabe der neuen Kontaktdaten im Internetauftritt einer Sozietät erscheint dagegen nicht geboten, denn wer dort nachsieht, wird auch ohne solche Hinweise den ausgeschiedenen Partner im Internet anderweitig sofort finden können. Denkbar ist aber, dass z.B. bei einer kleinen Kanzlei im ländlichen Raum mit viel Laufkundschaft und auch älterem Publikum tatsächlich immer noch ein Umzugshinweis am Gebäude geboten sein kann. Die Dauer, für die Hinweise vorgehalten werden müssen, regelt der neue Abs. 3 bewusst nicht, auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. DILLER, AUSSCHEIDEN AUS EINER SOZIETÄT – DIE NEUREGELUNG DES § 32 BORA AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2025 197

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