BRAK-Mitteilungen 2/2025

dem Finanzamt Fürth (Bl. 7-8, 27-28) und die Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt N.-Süd geschilderte Verdachtslage erscheint nach wirtschaftskriminalistischer Sichtweise zwar möglich, reicht aber über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen bei genauerer Betrachtung (noch) nicht hinaus. [37] aa) (A) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und dass der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (BVerfG, stattgebender Kammerbeschl. v. 7.9.2006 – 2 BvR 1219/05; BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – StB 26/08; BGH, Beschl. v. 12.8.2015 – StB 8/15; BGH, Beschl. v. 6.2.2019 – 3 StR 280/18; BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – StB 10/19). Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Erforderlich ist vielmehr ein sog. „greifbarer Verdacht“. Eine „Ausforschungsdurchsuchung“ ist unzulässig: Die Durchsuchung darf „nicht der Ermittlung von Tatsachen“ dienen, die zur „Begründung eines Verdachts erforderlich sind“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.6.2020 – 2 BvR 3044/09; LG Offenburg, Beschl. v. 20.1.2023 – 3 Qs 129/22; LG Bonn, Beschl. v. 2.9.2010 – 27 Qs-B 734/10 Bundeskartellamt-22/10). [38] Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren allerdings die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl. 2023, StPO § 105 Rn. 41c m.w.N.). Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren, etwa weil sie erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden (vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 10.9.2010 – 2 BvR 2561/08). [39] (B) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird insb. bestraft, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 I Nr. 1 AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 370 IV 1 AO). [40] (C) Allein das Wissen bspw. eines Steuerpflichtigen, dass er nur deshalb als formeller Inhaber einer Einzelfirma eingesetzt worden war, weil sein Familienangehöriger nicht (mehr) formeller Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens sein konnte, rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss, dass der Steuerpflichtige billigend in Kauf nahm, dass sein Familienangehöriger als (faktischer) Geschäftsführer seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. In solchen Fällen ist überdies eine eventuelle familiäre Vertrauensbeziehung mit einzubeziehen, die ein Vertrauen des Steuerpflichtigen, sein Familienangehöriger werde Steuererklärungen einreichen und nicht etwa ihn für Straftaten missbrauchen, möglich erscheinen ließ. Entscheidend ist auch, ob der Steuerpflichtige davon ausgegangen sein könnte, ein von seinem Familienangehörigen eingesetzter Steuerberater stelle die fristgemäße Einreichung inhaltlich richtiger Steuererklärungen sicher (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2020 – 1 StR 119/19; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 25.4.2024 – 18 KLs 502 Js 2487/21; ubd. 18 KLs 502 Js 2133/16). [41] bb) (A) Der Verdachtsprüfungsvermerk v. 20.9. 2023 (Bl. 404-423) schildert folgende Umstände, aus denen sich ergeben soll, die Beschwerdeführerin habe verdachtsweise in von ihr abgegebenen Einkommen-, Umsatz und Gewerbesteuererklärungen bezogen auf die Jahre 2017 bis 2021 unrichtige Angaben insb. hinsichtlich der Höhe des aus dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinns (§§ 2 I 1 Nr. 2, 15 I 1 Nr. 1 1 EStG; § 7 S. 1 GewStG) bzw. der daraus erzielten Umsätze (§ 1 Nr. 1 UStG), aber auch hinsichtlich sonstiger Einkünfte (§§ 2 I 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 EStG) gemacht. [42] Verwiesen wird zunächst auf die Bl. 6 bis 10 und 27 bis 28 der Ermittlungsakte (Bl. 406). Die Bl. 6 bis 10 enthalten tabellarische Darstellungen über An- und Verkaufsvorgänge des Einzelunternehmens im Zeitraum 1.1.2017 bis 22.2.2018, in denen jeweils in der Spalte „MARGE“ ein verdachtsweiser Gewinn oder Verlust aus dem jeweiligen Geschäft ausgewiesen wird. In einer Zusammenfassung werden 91 Verkaufsvorgänge ausgewiesen, davon 32 mit einem Verlust von insgesamt 64.800 Euro und 59 mit einem Gewinn i.H.v. insgesamt 120.586,98 Euro, was insgesamt bezogen auf den Zeitraum v. 1.1.2017 bis 22.2.2018 einen „Überschuss“ i.H.v. 55.786,98 Euro bedeutet. Bl. 9 stellt eine Eingangsrechnung v. 20.9.2017 dar, Bl. 10 enthält eine Tabelle mit der Bezeichnung „Inserate mit Auffälligkeiten“. Die Blätter 27 und 28 enthalten eine Darstellung der Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth v. 24.3.2023, die eingangs auf Ergebnisse von „Verfahren bei der Steuerfahndung“ betreffend die Jahre 2004 bis 2005 hinweist und die Gewinne aus dem Baumaschinenhandel aus den Festsetzungen zur Gewerbesteuer 2008 bis 2019 darlegt. Die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth führt sodann aus: „Der Gewerbebetrieb läuft zwar auf den Namen von Frau M. N., jedoch ist als hauptsächlch (sic) verantwortliche Person des Unternehmens Herr M. A-H anzusehen. (...) Das Einzelunternehmen hat im Februar 2018 die aktive Verkaufstätigkeit eingestellt.“ [43] Die Darstellung lässt erkennen, dass die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth Daten von „mobile.de“ für den Zeitraum ab 2018 zur Verfügung hatte und führt – ohne genauere zeitliche und sachliche BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 172

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