BRAK-Mitteilungen 2/2025

legen seien, regen die Kl. mit Blick auf ein Urteil des EuGH v. 24.2.2022 (Az. C-175/20 – „Valsts ienemumu dienests“) ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an. In dem genannten Urteil habe der EuGH entschieden, dass die Steuerverwaltung nur dann von Art. 5 DSGVO abweichen dürfe, wenn es hierfür im Unionsrecht oder im nationalen Recht eine klare und präzise Rechtsgrundlage gebe. Eine derartige Rechtsgrundlage für die Vorlage der geschwärzten personenbezogenen Daten sei jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere ergebe sich eine solche Rechtsgrundlage nicht aus § 29b I AO oder Art. 6 I Buchst. e) DSGVO, da diese Vorschriften das auslegungsbedürftige Merkmal der Erforderlichkeit enthielten. [29] Im Übrigen sei die Vorlage derzeit geschwärzter Daten für die Prüfung, ob die Fahrtenbuchmethode anzuwenden sei, nicht erforderlich. Vielmehr sei die Prüfung bereits anhand der vorgelegten Daten möglich. Eine Datenverarbeitung sei nicht schon dann zulässig, wenn sie der Aufgabenerfüllung des Bekl. dienlich sei, sondern müsse sich auf das absolut Notwendige beschränken. Außerdem sei zu beachten, dass die Vorgaben der DSGVO auch in Bezug auf die Mandanten des Kl. einzuhalten seien. Insbesondere müsse die Datenverarbeitung auch ihnen gegenüber transparent und nach Treu und Glauben erfolgen. [30] Die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 2017 sei ebenfalls anhand des vorgelegten Fahrtenbuchs zu ermitteln, so dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 2017 ebenfalls mit 912,58 Euro anzusetzen sei. [31] Indem der Bekl. die Anwendung der Fahrtenbuchmethode von der Vorlage eines ungeschwärzten Fahrtenbuchs abhängig mache, verlange er vom Kl. zudem die Begehung einer Straftat nach § 203 StGB sowie einen Verstoß gegen Art. 5 bis 7 DSGVO, der mit einem Bußgeld von bis zu 20 Mio. Euro geahndet werden könne. Die Offenlegung der geschwärzten Daten komme zudem einem Parteiverrat gem. § 356 StGB gleich, da sie zu Kontrollmitteilungen des Bekl. führen könne. Die Begehung dieser Rechtsverstöße sei Gegenstand und Inhalt der angegriffenen Bescheide. Der Bekl. habe das gesetzestreue Verhalten des Kl. und sein Absehen von rechtswidrigen Handlungen mit der Festsetzung höherer Steuern sanktioniert. Nicht nur die Vorlageverlangen, sondern auch die Steuerbescheide für das Jahr 2017 sowie die Einspruchsentscheidungen für die Jahre 2018 und 2019 seien daher gem. § 125 II Nr. 3 AO nichtig. Diese Bescheide seien insgesamt nichtig, da das Gesetz nur in den Fällen des § 125 I AO vom Grundsatz der Teilnichtigkeit ausgehe („soweit“). Für absolute Nichtigkeitsgründe nach § 125 II AO sei eine derartige Einschränkung nicht vorgesehen. (...) [37] Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. [38] Eine Ermittlung der Privatfahrten nach der Fahrtenbuchmethode sei nicht möglich, da auch die zuletzt vorgelegten Fahrtenbuchdaten nicht geeignet seien, den Nachweis nach § 6 I Nr. 4 S. 3 EStG zu führen. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls sei der Bekl. zwar damit einverstanden, dass der Kl. die Namen seiner Mandanten schwärze, wenn das jeweilige Mandatsverhältnis gegenüber der Finanzverwaltung noch nicht offengelegt worden sei. Andere Daten wie Gerichtsbezeichnungen oder Straßennamen dürften jedoch nicht geschwärzt werden. Hinsichtlich der Fahrten nach A müsse der Kl. zudem darlegen, wann er in seinen Kanzleiraum und wann er zum Lohnsteuerhilfeverein gefahren sei und weshalb er keine Privatfahrten nach A angegeben habe. Wenn der Kl. zu seinem Kanzleiraum oder zum Lohnsteuerhilfeverein fahre, sei zudem nicht zu erwarten, dass das Fahrtenbuch die Namen von Mandanten enthalte. Lasse sich der Umfang der Privatfahrten infolge der Schwärzungen nicht feststellen, gehe dies zu Lasten der Kl., da diese insoweit die Feststellungslast treffe. Dies sei hier der Fall, da der Bekl. anhand der vorgelegten Fahrtenbuchdaten nicht in der Lage sei zu prüfen, ob ein Abweichen von der 1 %-Methode gerechtfertigt sei. [39] Es sei für den Kl. aufgrund seiner Mitwirkungspflicht auch zumutbar, nur die notwendigen Schwärzungen vorzunehmen. Er könne bereits bei der Erstellung des Fahrtenbuchs organisatorische Vorkehrungen treffen, um das Schwärzen zu erleichtern, etwa indem er zu schwärzende Eintragungen markiere. [40] Die DSGVO stehe der Vorlage und Verarbeitung von Fahrtenbuchdaten nicht entgegen, da es keine sinnvolle und zumutbare Alternative gebe. Eine Prüfung, ob von der typisierenden 1 %-Regelung abgewichen werden könne, sei ohne diese Daten nicht möglich. Ein „völlig geschwärztes“ Fahrtenbuch lasse keine Prüfung der Ordnungsgemäßheit zu. Die Regelung in § 29b AO biete eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die ein Steuerpflichtiger im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten bereitgestellt habe. (...) AUS DEN GRÜNDEN: [43] 1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind nicht nichtig, sondern wirksam. Sie sind zudem rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 I 1 FGO). [44] a) Die angefochtenen Bescheide sind nicht gem. § 125 AO nichtig und somit nicht gem. § 124 III AO unwirksam. Es liegt weder ein absoluter Nichtigkeitsgrund nach § 125 II AO noch ein sonstiger Nichtigkeitsgrund vor. [45] aa) Eine Nichtigkeit der angegriffenen Bescheide ergibt sich insb. nicht aus der Vorschrift des § 125 II Nr. 3AO. [46] (1) Gemäß § 125 II Nr. 3 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht. Eine rechtswidrige Tat i.S.d. Vorschrift ist damit eine solche i.S.v. § 11 I Nr. 5 StGB oder § 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Die NichtigkeitsfolBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 138

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