[20] Der Verschwiegenheitspflicht unterlägen insb. auch Fahrten nach A. Dies gelte auch für Fahrten an Wochenenden. Der Kl. habe sich in A einen bedeutsamen Mandantenkreis aufgebaut, da seine Ehefrau aus A stamme, dort ein ... betreibe und viele Mandate über Empfehlungen kämen. Mandantenbesprechungen in A hätten häufig am Wochenende stattgefunden, da der Kl. unter der Woche in seiner Kanzlei in Hamburg arbeite. [21] Bei den Mandanten des Kl. könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese auf die Geheimhaltung ihrer Identität gegenüber der Finanzverwaltung verzichtet hätten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Mandate des Kl. in der Regel keinen Bezug zur Finanzverwaltung hätten. Der Kl. sei kein Steuerberater, sondern ausschließlich Rechtsanwalt. Mit Ausnahme von Steuerstrafverfahren und seiner Tätigkeit für den Lohnsteuerhilfeverein habe der Kl. in den Streitjahren in der Regel keine steuerrechtlichen Mandate bearbeitet. [22] Im Übrigen rechtfertige der Umstand, dass ein Mandatsverhältnis einer bestimmten Finanzbehörde bzw. bestimmten Amtsträgern bekannt sei, nicht die Annahme, dass das Mandatsverhältnis auch gegenüber dem Bekl. offengelegt werden dürfe. Mandatsbezogene Daten, die anderen Finanzbehörden bekannt seien, unterlägen vielmehr weiterhin der Verschwiegenheitspflicht. Auch innerhalb der Finanzverwaltung dürften Daten zu Mandanten nicht dem Bekl. und seinen mit dem vorliegenden Rechtsstreit befassten Amtsträgern übermittelt werden. Soweit der BFH in bestimmten Konstellationen einen konkludenten Verzicht auf die Verschwiegenheitspflicht angenommen habe, stamme diese Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der Regelungen in § 2a AO und § 29c AO. Die Rechtsprechung des BFH sei überholt, da sie mit Art. 6 DSGVO und Art. 7 DSGVO unvereinbar sei, wonach die Weitergabe personenbezogener Daten nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen zulässig sei. Eine solche Zustimmung habe kein Mandant erteilt. [23] Auch für Berufsgeheimnisträger müsse es möglich sein, den Umfang der Privatfahrten nach der Fahrtenbuchmethode zu ermitteln. Die 1 %-Regelung sei nach der Rechtsprechung des BFH nur verfassungsgemäß, weil das Gesetz dem Steuerpflichtigen im konkreten Einzelfall die Möglichkeit einräume, das genaue Verhältnis von privaten zu beruflichen Fahrten mit einem Fahrtenbuch nachzuweisen. Dies müsse auch im Falle von Berufsgeheimnisträgern gelten. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 6 I Nr. 4 S. 3 EStG müsse daher die Vorlage eines teilweise geschwärzten Fahrtenbuchs ausreichen. Außerdem benachteilige die Auffassung des Bekl. Berufsgeheimnisträger und verstoße daher gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes. [24] Die Vorlage eines ungeschwärzten Fahrtenbuchs sei keine Voraussetzung für die Anwendung der Fahrtenbuchmethode. Hierfür genüge – wie sich aus dem BMF-Schreiben v. 18.11.2009 (IV C 6 - S 2177/07/ 10004 Rn. 8) ergebe – eine entsprechende Erklärung des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung. Ob das Finanzamt zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen die Vorlage des Fahrtenbuchs verlange, sei eine Ermessensentscheidung. Aus der Rechtsprechung sowie dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) ergebe sich aber, dass für den Regelfall davon ausgegangen werden könne, dass die Angaben des Steuerpflichtigen vollständig und richtig seien. Die Finanzbehörde könne den Angaben des Steuerpflichtigen Glauben schenken, wenn nicht greifbare Umstände vorlägen, die darauf hindeuteten, dass die Angaben falsch oder unvollständig seien. Derartige Umstände habe der Bekl. nicht dargelegt, so dass von der Richtigkeit des Fahrtenbuchs ausgegangen werden könne. Im Übrigen habe der Kl. ein Fahrtenbuch vorgelegt, das den Anforderungen der gerichtlichen Verfügung v. 22.9.2023 genüge. Die Spalte „Fahrstrecke/Reiseziel“ sei darin nicht mehr geschwärzt. Der Bekl. habe nicht dargelegt, dass sich daraus entnehmen lasse, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt worden sei. Insoweit liege die Darlegungs- und Beweislast aber beim Bekl. [25] Außerdem seien die Vorlageverlangen des Bekl., die auf die Vorlage eines ungeschwärzten Fahrtenbuchs gerichtet seien, gem. § 125 II Nr. 3 AO nichtig, da damit die Begehung einer Straftat nach § 203 StGB verlangt werde. Zudem habe der Bekl. die Anforderung des Fahrtenbuchs für 2017 förmlich zurückgenommen; die Fahrtenbücher für 2018 und 2019 fordere der Bekl. nicht mehr an. Die Kl. seien daher so zu stellen, als hätte es kein Vorlageverlangen gegeben. Dies habe zur Folge, dass die Fahrtenbuchmethode anzuwenden sei. Ein nicht angefordertes Beweismittel könne auch nicht beanstandet werden. [26] Im Übrigen könne auch die Vorlage geschwärzter Fahrtenbücher nicht verlangt werden. Ein solches Verlangen sei unverhältnismäßig, da die Schwärzung einen nicht unerheblichen Aufwand verursache und Fehler bei der Anonymisierung zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Kl. führen könnten. [27] Hinzu komme, dass die Entscheidung, ein Fahrtenbuch anzufordern, eine Ermessensentscheidung sei, bei der das Datenschutzrecht und insb. der Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 I Buchst. c) DSGVO im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten seien. Dies habe der Bekl. nicht berücksichtigt. Auch die angefochtenen Steuerbescheide beruhten auf der Ermessensentscheidung des Bekl., die Anwendung der Fahrtenbuchmethode von der Vorlage eines ungeschwärzten Fahrtenbuchs abhängig zu machen. Da Art. 5 I Buchst. c) DSGVO nicht berücksichtigt worden sei, seien auch diese Bescheide rechtswidrig. Außerdem sei der Bekl. nicht seiner Begründungspflicht aus § 121 AO nachgekommen. Auch das Finanzgericht sei an das Datenschutzrecht gebunden, wenn es Fahrtenbuchdaten des Kl. anfordere. [28] Für den Fall, dass das Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass bislang geschwärzte Daten vorzuBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 137
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