Konsequenzen potenzieller Unionsrechtswidrigkeit verfahren den einzigen Verfahrensweg darstellt, der den betroffenen Sägewerken die Möglichkeit gibt, ihren mutmaßlich mit dem in Rede stehenden Kartell zusammenhängenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen, ließe eine solche Feststellung die Anwendung der nationalen Bestimmungen unberührt, die im Interesse des Schutzes des Einzelnen die Tätigkeit der Erbringer solcher Inkassodienstleistungen regeln, u.a. um die Qualität dieser Dienstleistungen sowie die Objektivität und Verhältnismäßigkeit der von solchen Dienstleistern erhaltenen Vergütungen zu gewährleisten und Interessenkonflikte wie auch missbräuchliche Verfahrenshandlungen zu verhindern. [88] Was schließlich die Konsequenzen betrifft, die aus einer etwaigen Feststellung der Unvereinbarkeit mit dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz durch das vorlegende Gericht zu ziehen wären, ergibt sich aus den Rn. 60 und 64 des vorliegenden Urteils, dass sich der in Art. 3 I der Richtlinie 2014/104 kodifizierte Anspruch auf vollständigen Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstandenen Schadens aus der Art. 101 I AEUV zuerkannten unmittelbaren Wirkung ableitet. [89] Der Gerichtshof hat zudem festgestellt, dass Art. 47 der Charta aus sich heraus Wirkung entfaltet und nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden muss, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das er als solches geltend machen kann (Urt. v. 17.4.2018, Egenberger, C414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78, sowie v. 20.2.2024, X [Keine Angabe von Kündigungsgründen], C-715/20, EU:C:2024:139, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung). [90] Ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat und eine nationale Regelung nicht im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts auslegen kann, ist indessen nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet, für die volle Wirksamkeit der Anforderungen des Unionsrechts in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – nationale Regelung oder Praxis, die einer Bestimmung des Unionsrechts mit unmittelbarer Wirkung entgegensteht, unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser nationalen Regelung oder Praxis auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 24.6.2019, Popławski, C-573/17, EU:C:2019:530, Rn. 57 und 58, sowie v. 25.1.2024, Em akaunt BG, C-438/22, EU:C: 2024:71, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). [91] Folglich wird das vorlegende Gericht in dem in Rn. 84 des vorliegenden Urteils genannten Fall zunächst unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und der dort anerkannten Auslegungsmethoden festzustellen haben, ob es die Möglichkeit hat, den maßgeblichen Bestimmungen des RDG eine unionsrechtskonforme Auslegung zu geben, ohne aber eine Auslegung contra legem dieser Bestimmungen vorzunehmen (vgl. entsprechend Urt. v. 22.6.2022, Volvo und DAF Trucks, C-267/20, EU:C:2022:494, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). [92] Wie in Rn. 79 des vorliegenden Urteils ausgeführt, haben insoweit einige der am Verfahren vor dem Gerichtshof Beteiligten geltend gemacht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen eine Inanspruchnahme des Sammelklage-Inkassos in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten nicht ausschlössen und von bestimmten nationalen Gerichten dahin ausgelegt würden, dass die Inanspruchnahme des Sammelklage-Inkassos in einem konkreten Fall von der Einhaltung der Bedingungen abhängig gemacht werde, mit denen die Qualität der Dienstleistungen, ein angemessenes Niveau der Vergütung des Dienstleisters sowie das Fehlen eines Interessenkonflikts bei ihm gewährleistet werden sollten. [93] Das vorlegende Gericht hätte die angeführten BeUnanwendbarkeit bei unmöglicher unionsrechtskonformer Auslegung stimmungen nur dann unangewendet zu lassen, wenn überhaupt keine unionsrechtskonforme Auslegung möglich wäre (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 21.1.2021, Whiteland Import Export, C-308/19, EU:C: 2021:47, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). [94] Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 101 AEUV i.V.m. Art. 2 Nr. 4, Art. 3 I und Art. 4 der Richtlinie 2014/104 sowie Art. 47 I der Charta dahin auszulegen sind, dass sie der Auslegung einer nationalen Regelung, die bewirkt, dass mutmaßlich durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigte daran gehindert werden, ihre Schadensersatzansprüche an einen Rechtsdienstleister zur gebündelten Geltendmachung im Rahmen einer Stand-alone-Klage auf Schadensersatz abzutreten, entgegenstehen, soweit - das nationale Recht keinerlei andere Möglichkeit zur Bündelung individueller Forderungen dieser Geschädigten vorsieht, die geeignet wäre, eine wirksame Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche zu gewährleisten, und - sich die Erhebung einer individuellen Schadensersatzklage für diese Geschädigten in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls als unmöglich oder übermäßig schwierig erweist, mit der Folge, dass ihnen ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verwehrt würde. Sollte sich diese nationale Regelung nicht unionsrechtskonform auslegen lassen, gebieten es diese Bestimmungen des Unionsrechts dem nationalen Gericht, die nationale Regelung unangewendet zu lassen. EUROPA BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 134
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