BRAK-Mitteilungen 2/2025

zeichneten Beteiligten haben in ihren Erklärungen allerdings eine Reihe von Gesichtspunkten vorgetragen, die auf eine Nuancierung der Aussagen im Vorabentscheidungsersuchen hinauslaufen. [79] So ziehen diese Parteien und Beteiligten erstens die Aussage des vorlegenden Gerichts, das nationale Recht verwehre den durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten grundsätzlich die Inanspruchnahme eines Sammelklage-Inkassos, in Zweifel. Das Sammelklage-Inkasso sei lediglich im Zusammenhang mit bestimmten wettbewerbsrechtlichen Fällen für ungeeignet befunden worden, in denen sein Einsatz de facto zu einem Verstoß gegen die Bestimmungen des RDG führen würde, die das Tätigwerden eines Rechtsdienstleisters bei einem Interessenkonflikt verböten. [80] Zweitens sei die Feststellung zu nuancieren, dass das nationale Recht keine Alternative zum Sammelklage-Inkasso biete, die es den Geschädigten ermögliche, ihren Schadensersatzanspruch gebündelt geltend zu machen. Die Abtretung von Forderungen in Form eines echten Factorings – d.h. keine bloß fiduziarische Übertragung, sondern eine vollständige Forderungsübertragung an einen Dritten gegen sofortige Zahlung einer finanziellen Gegenleistung von diesem Dritten an den Zedenten – wie auch die Streitgenossenschaft – die in einer gemeinschaftlichen Klage mehrerer Kläger bestehe, die es ihnen u.a. ermögliche, zur Feststellung der Höhe ihres jeweiligen Schadens Bewertungen und Begutachtungen gemeinsam vornehmen zu lassen – stellten insoweit Alternativen dar, die von der deutschen Rechtspraxis in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten erwogen und zugelassen worden seien. [81] Drittens werde die Erwägung des vorlegenden Gerichts, wonach die Geschädigten dazu neigten, auf die Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs zu verzichten, wenn sie ihn lediglich im Rahmen einer individuellen Klage verfolgen könnten, in der vorliegenden Rechtssache durch die Höhe der Einzelforderungen der betroffenen Sägewerke in Frage gestellt, wodurch deren etwaiges Desinteresse an dieser Art von Klage relativiert werde. [82] Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass allein das vornationale Auslegungsbefugnis legende Gericht darüber zu befinden hat, ob durch eine Auslegung des nationalen Rechts in der Weise, dass ein Sammelklage-Inkasso in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten ausgeschlossen ist, eine Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs, den das Unionsrecht den durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten verleiht, unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird und ihnen ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz verwehrt wird. [83] Dabei hat es indes die maßgeblichen Gesichtspunkte der im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten für die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des durch eine solche Zuwiderhandlung entstandenen Schadens in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. entsprechend Urt. v. 28.3.2019, Cogeco Communications, C-637/17, EU:C:2019:263, Rn. 45). [84] Somit dürfte das vorlegende Gericht nur dann die Schlussfolgerung ziehen, dass das nationale Recht in einer Auslegung, die ein solches Sammelklage-Inkasso ausschließt, nicht den in den Rn. 71 bis 75 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen des Unionsrechts genügt, wenn es bei dieser Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass zum einen keiner der Mechanismen einer gebündelten Geltendmachung, die das nationale Recht alternativ zum Sammelklage-Inkasso vorsieht, es zulässt, den Anspruch der Personen oder Gruppe von Personen, die einen Ersatz des Schadens begehren, der durch eine mutmaßliche Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstanden sein soll – hier also die betroffenen Sägewerke –, wirksam durchzusetzen, und dass zum anderen die im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Erhebung einer individuellen Klage die Durchsetzung dieses Schadensersatzanspruchs unmöglich machen oder übermäßig erschweren und damit ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz beeinträchtigen. [85] Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass das Vorhandensein von Mechanismen, die eine Bündelung individueller Forderungen ermöglichen, in Anbetracht der Besonderheiten von wettbewerbsrechtlichen Rechtssachen und insb. des in Rn. 74 des vorliegenden Urteils angeführten Umstands, dass die Erhebung von Schadensersatzklagen wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht grundsätzlich eine komplexe Analyse der zugrunde liegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordert, zwar geeignet ist, die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche der Geschädigten zu erleichtern. Solche Mechanismen können insb. die Erhebung von Stand-alone-Klagen auf Schadensersatz erleichtern, zu deren Stützung es keinerlei bestandskräftige Feststellung einer Zuwiderhandlung durch eine Wettbewerbsbehörde gibt. [86] Die Komplexität solcher Schadensersatzklagen und die damit einhergehenden Verfahrenskosten lassen für sich genommen allerdings nicht die Schlussfolgerung zu, dass eine Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs im Rahmen einer individuellen Klage praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde, was zur Folge hätte, dass den durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten ohne Mechanismen zur Bündelung ihrer individuellen Ansprüche ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verwehrt würde. Zu einer solchen Schlussfolgerung könnte das vorlegende Gericht nämlich nur dann gelangen, wenn es auf der Grundlage der Würdigung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Umstände des Einzelfalls zu der Feststellung gelangte, dass konkrete Gesichtspunkte des nationalen Rechts der Erhebung solcher individueller Klagen entgegenstehen. [87] Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass der Mechanismus des Sammelklage-Inkassos im AusgangsEUROPA BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 133

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