BRAK-Mitteilungen 2/2025

gliedstaats entgegensteht, durch welches einem möglicherweise durch einen – aufgrund des Art. 9 der Richtlinie 2014/104 bzw. der diesen umsetzenden nationalen Vorschriften mit Bindungswirkung feststehenden – Verstoß gegen Art. 101 AEUV Geschädigten verwehrt wird, seine Ansprüche – insb. in Fällen von Massen- oder Streuschäden – an einen zugelassenen Rechtsdienstleister treuhänderisch abzutreten, damit dieser sie gebündelt mit Ansprüchen anderer vermeintlich Geschädigter im Wege einer Follow-on-Klage durchsetzt, wenn andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeiten der Bündelung von Schadensersatzforderungen nicht bestehen, insb. weil sie nicht zu Leistungsurteilen führen oder aus sonstigen prozessualen Gründen nicht praktikabel bzw. aus wirtschaftlichen Gründen objektiv nicht zumutbar sind, und somit insb. die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich oder jedenfalls übermäßig erschwert würde? 2. Ist das Unionsrecht jedenfalls dann in dieser Weise auszulegen, wenn die fraglichen Schadensersatzansprüche ohne eine vorangehende und mit Bindungswirkung im Sinne nationaler, auf Art. 9 der Richtlinie 2014/ 104 beruhender Vorschriften versehenen Entscheidung der Europäischen Kommission oder nationaler Behörden im Hinblick auf die vermeintliche Zuwiderhandlung verfolgt werden müssen (sogenannte „Stand-alone-Klage“), wenn andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeiten der Bündelung von Schadensersatzforderungen zur zivilrechtlichen Verfolgung aus den in Frage 1 bereits genannten Gründen nicht bestehen und insb. wenn ansonsten eine Verletzung des Art. 101 AEUV überhaupt nicht, also weder im Wege des „public enforcement“ noch des „private enforcement“, verfolgt werden würde? 3. Wenn mindestens eine der beiden Fragen zu bejahen ist, müssen dann die entsprechenden Normen des deutschen Rechts, wenn eine europarechtskonforme Auslegung ausscheidet, unangewendet bleiben, was zur Folge hätte, dass die Abtretungen jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt wirksam sind und eine effektive Rechtsdurchsetzung möglich wird? Zu den Vorlagefragen Zur Zulässigkeit der ersten Frage [36] Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 101 AEUV i.V.m. Art. 2 Nr. 4, Art. 3 I, Art. 4 und Art. 9 I der Richtlinie 2014/104 sowie Art. 47 I der Charta dahin auszulegen sind, dass sie der Auslegung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die bewirkt, dass mutmaßlich durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigte daran gehindert werden, ihre Schadensersatzansprüche an einen Rechtsdienstleister zur gebündelten Geltendmachung im Rahmen einer Followon-Klage abzutreten, d.h. einer Schadensersatzklage, die auf eine bestandskräftige Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde folgt, mit der eine solche Zuwiderhandlung festgestellt wurde (im Folgenden: Follow-onKlage auf Schadensersatz). [37] Die Otto Fuchs Beteiligungen, das Land und die Kommission halten diese Frage für unzulässig. Die Klage im Ausgangsverfahren sei nicht als Follow-on-, sondern als Stand-alone-Klage auf Schadensersatz anzusehen. [38] Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nach ständiger Rechtsprechung auf eine Auslegung des Unionsrechts beziehen muss, die für die vom vorlegenden Gericht zu erlassende Entscheidung objektiv erforderlich ist (Urt. v. 12.1.2023, DOBELES HES, C-702/20 und C-17/21, EU:C:2023:1, Rn. 81, sowie v. 9.1.2024, G. u.a. [Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen], C-181/21 und C-269/21, EU:C: 2024:1, Rn. 65). [39] Es ist allein Sache des nationalen Gerichts, das mit keine Erforderlichkeit erbetener Unionsrechtsauslegung dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts betreffen (Urt. v. 6.10.2021, Sumal, C882/19, EU:C:2021:800, Rn. 27, sowie v. 19.9.2024, Booking.com und Booking.com [Deutschland], C-264/ 23, EU:C:2024:764, Rn. 34). [40] Daraus folgt, dass, da für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt, der Gerichtshof die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen kann, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urt. v. 6.10.2021, Sumal, C-882/ 19, EU:C:2021:800, Rn. 28, sowie v. 19.9.2024, Booking.com und Booking.com [Deutschland], C-264/23, EU:C:2024:764, Rn. 35). [41] Im vorliegenden Fall lässt sich der Vorlageentscheidung aber entnehmen, dass die erste Frage, da sie sich auf eine Follow-on-Klage auf Schadensersatz bezieht, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht. [42] Das vorlegende Gericht verweist nämlich darauf, dass es mit einer von der ASG 2 erhobenen Schadensersatzklage befasst sei, die auf den Ersatz des Schadens gerichtet sei, der den betroffenen Sägewerken durch das in Rede stehende Kartell entstanden sein soll. Das Gericht führt aus, dass es im Ausgangsverfahren außer EUROPA BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 129

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