BRAK-Mitteilungen 2/2025

nem Mitarbeiter das Zustellungsdatum des erstinstanzlichen Urteils zu nennen, und auf eine Überprüfung der „auf Zuruf“ eingetragenen Frist zu verzichten. Fristen, die in einer Kanzlei häufig vorkommen und deren Berechnung keine rechtlichen Schwierigkeiten macht, dürfe der Anwalt qualifiziertem, zuverlässigem und sorgfältig überwachtem (Büro-) Personal überlassen. Nicht hierunter fallende Fristen müsse er aber selbst berechnen und deren Wahrung selbst überwachen. Zu diesen Fristen zähle im Verwaltungsprozess grundsätzlich die Frist zur Begründung eines Zulassungsantrags im Verfahren vor dem OVG. Die Entscheidung begegnet durchaus Bedenken: Laut Sachverhalt hatte der zuarbeitende Anwalt auf das mitgeteilte Zustellungsdatum 26.8.2023 die Begründungsfrist aufgrund eines „Blackouts“ nicht auf den 26.10., sondern auf den 28.10.2023 eingetragen. Demnach hatte er aber doch offenbar die zweimonatige Frist des § 124a IV 4 VwGO zutreffend vor Augen. Der Fehler beruhte also wohl nicht darauf, dass es sich nicht um eine geläufige und alltägliche Routinesache gehandelt hätte, sondern auf einem numerischen Augenblicksversagen. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung zu „Nicht-Routinefristen“ bei nichtjuristischen Mitarbeitern auf zugelassene Anwälte übertragbar ist. Achtung: Wenn ein Anwalt ein Mandat selbstständig bearbeitet, ist ein ihm bei der Fristwahrung unterlaufender Fehler dem Mandanten nach § 85 II ZPO auch dann zuzurechnen, wenn er „nur“ angestellter Anwalt ist, eine Wiedereinsetzung ist dann also ohnehin ausgeschlossen. (hg) PFLICHT ZUR NACHFRAGE BEI GERICHT ZUR FRISTWAHRUNG BEI WEG-ANFECHTUNGSKLAGEN In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren trifft den Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO („demnächst“) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung. BGH, Urt. v. 25.10.2024 – V ZR 17/24, MDR 2025, 31 = NJW-RR 2025, 80 Der Kläger erhob gegen einen Beschluss seiner Wohnungseigentümergemeinschaft fristgerecht Anfechtungsklage zum AG und zahlte auf Anforderung des AG umgehend den Gerichtskostenvorschuss ein. Unmittelbar danach erweiterte er seine Anfechtungsklage auf sämtliche in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse. Daraufhin erhöhte das AG den vorläufigen Streitwert und übersandte dem Kläger eine neue Gerichtskostenrechnung, die der Kläger nicht bezahlte. Eine Zustellung der Klage an die Beklagte unterblieb vollständig. Erst mehrere Jahre später erkundigte sich der Kläger, wann das Gericht in der Sache entscheiden werde. Daraufhin erfolgte die Zustellung. Die Klage blieb in drei Instanzen erfolglos. Der BGH bestätigte auf die vom LG als Berufungsgericht zugelassene Revision, dass die materielle Klagefrist von einem Monat nach der Beschlussfassung nach §§ 46 I 2 WEG a.F. (§ 45 S. 1 WEG n.F.) versäumt sei, da die Klage nicht „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden sei. Zwar habe das AG die ursprüngliche Klage in rechtsfehlerhafter Weise nicht an die Beklagte zugestellt, obwohl es hierzu verpflichtet gewesen wäre. Die kurz darauf erfolgte Klageerweiterung habe daran nichts geändert. Die Streitgegenstände von Klage und Klageerweiterung (unterschiedliche Beschlüsse der Eigentümerversammlung) hätten sich trennen lassen, so dass das Verfahren in Bezug auf die ursprüngliche Klage vom Gericht hätte weiterbetrieben werden müssen. Allerdings sei der Kläger trotz der rechtzeitigen und ausreichenden Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses in Bezug auf die ursprüngliche Klage gehalten gewesen, sich beim AG nach dem Sachstand der Zustellung zu erkundigen. Diese Obliegenheit datierte der BGH auf spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage. Nach Ablauf dieser Jahresfrist beginne die dem Kläger zuzurechnende Verzögerung i.S.v. § 167 ZPO. Die Frage, ob sich aus der Treuepflicht der Wohnungseigentümer in Beschlussanfechtungsverfahren eine Nachfragepflicht beim Gericht ergebe, hatte der BGH bislang offen gelassen.2 2 BGH, Beschl. v.7.4.2022 – V ZR 165/21, NZM 2022, 512. Die jetzt angenommene Jahresfrist entnahm der BGH aus § 46 I 3 WEG a.F. (§ 45 S. 2 WEG n.F.) i.V.m. § 234 III ZPO (Jahresfrist für die Beantragung von Wiedereinsetzung). Obwohl es sich bei der Anfechtungsfrist nach WEG um eine materielle (Ausschluss-) Frist handelt, stellte der BGH wegen der Verweisung in § 45 S. 2 WEG auf die Regeln der ZPO zur Wiedereinsetzung auf die Jahresfrist ab. Bei Maßnahmen zur Hemmung von – ebenfalls materiellen – Verjährungsfristen gibt es nach überwiegender Rechtsprechung keine zeitliche Obergrenze,3 3 BGH, NJW 2006, 3206; BAG, NZA-RR 2015, 380 Rn. 35 (2. Senat); NJW 2013, 252 (8. Senat). wobei aufgrund einzelner Entscheidungen dennoch Vorsicht geboten ist und jedenfalls ein Anwalt sicherheitshalber auch nach fristgerechter Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses nachfragen sollte, falls vom Gericht keine Rückmeldung in Form einer prozessleitenden Verfügung kommt.4 4 BAG, NZA 2012, 760 (10. Senat); OLG München, Urt. v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102. (hg) BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 AUFSÄTZE 116

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