Zu beachten ist übrigens auch § 126 III BGB. Dieser enthält eine weitere Einschränkung, die man übersehen kann: Die schriftliche Form kann nämlich nur durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Etliche Normen, beispielsweise §§ 766 S. 2, 780 S. 2 und 781 S. 2 BGB sowie insb. auch § 623 BGB schließen die elektronische Form explizit aus. Auch für diese Fälle hilft aber nun § 130e S. 2 ZPO: „Dies gilt auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist.“ Es kann danach also z.B. eine (weitere) arbeitsrechtliche Kündigung schriftsätzlich mit der qeS erklärt werden (ebenfalls neu: § 46h ArbGG). Im außerprozessualen Rechtsverkehr muss allerdings weiterhin die Papierform gewählt werden. (ju) ERSATZEINREICHUNG NACH § 130d ZPO GENÜGT AUCH, WENN DIE ELEKTRONISCHE ÜBERMITTLUNG VOR FRISTABLAUF WIEDER FUNKTIONIERT 1. Hat ein Prozessbevollmächtigter wegen vorübergehender technischer Unmöglichkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments die Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften veranlasst, ist er nicht gehalten, sich bis zur tatsächlichen Vornahme der Ersatzeinreichung weiter um eine elektronische Übermittlung des Dokuments zu bemühen. 2. Zur Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es der anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird. BGH, Beschl. v. 19.12.2024 – IX ZB 41/23, NJW 2025, 508 Die Berufungsbegründung wurde hier durch den Prozessbevollmächtigten des Berufungsführers am letzten Tag der Frist gegen Mittag per Telefax eingereicht. Zur Begründung dieser Übermittlung wurde angeführt, dass der Server nicht erreichbar sei, was durch entsprechende Ausdrucke von Meldungen über eine Störung seit etwa 10.20 Uhr desselben Tages und Versicherung an Eides statt belegt wurde. Dennoch hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil nicht ausreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sei, dass die technische Störung noch zum Zeitpunkt des Übertragungsversuchs vorgelegen habe. Der BGH hingegen hielt die Ersatzeinreichung für zulässig. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung des Schriftsatzes als elektronisches Dokument per beA bedürfe einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Insbesondere müsse den glaubhaft gemachten Tatsachen zu entnehmen sein, dass die Unmöglichkeit nicht auf Gründen beruhe, die beim Einreicher liegen; ein Bedienfehler müsse mindestens unwahrscheinlich sein. Die Glaubhaftmachung müsse sich dabei nur auf den Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung beziehen. Wird in diesem Zeitpunkt die Ersatzeinreichung veranlasst, sei der Einreicher nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine korrekte elektronische Übermittlung zu bemühen. Eine vorübergehende Unmöglichkeit liege jedenfalls dann vor, wenn die elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und auch nicht absehbar sei, wann die Störung behoben sein wird. Mehrere Übermittlungsversuche setze die gesetzliche Regelung nicht voraus. Zu beachten sei allerdings, dass die Information zur Störung einer zuverlässigen Quelle entnommen wird. Hier war es eine Störungsmeldung durch beA.expert. Es empfiehlt sich, zur Glaubhaftmachung stets aussagekräftige Screenshots vorzulegen, die die Störung einwandfrei belegen. Wenn man dann wegen der Störung ein Telefax ans Gericht sendet, muss man also nicht noch bis Mitternacht in bestimmten Abständen versuchen, den Schriftsatz auch noch per beA zu übermitteln. (bc) EIGENE PRÜFPFLICHT DES ANWALTS BEI NICHT-ROUTINEFRISTEN 1. Das Verschulden eines dem prozessbevollmächtigten Anwalt lediglich zuarbeitenden Anwalts ist der Partei nicht nach § 85 II ZPO zuzurechnen. 2. Es liegt ein Anwaltsverschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte dem Mitarbeiter lediglich das Zustelldatum nennt und auf eine Prüfung der daraufhin eingetragenen Frist verzichtet, wenn es sich bei der Fristsache nicht um eine geläufige und alltägliche Routineangelegenheit handelt (hier: Begründung eines Antrags auf Zulassung einer verwaltungsgerichtlichen Berufung). OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.1.2025 – 15 A 1576/23 Ein Antrag auf Zulassung einer verwaltungsgerichtlichen Berufung ging zwei Tage verspätet beim OVG ein. Das OVG lehnte Wiedereinsetzung ab und verwarf den Antrag. Zwar könne das Verschulden des Anwalts, der die Frist fehlerhaft notiert hatte, dem Mandanten nicht nach § 85 II ZPO i.V.m. § 173 VwGO zugerechnet werden, weil es sich bei ihm nur um einen vom prozessbevollmächtigten Anwalt hinzugezogenen Mitarbeiter handelte, dessen Aufgabe nur aus vorbereitenden und unselbstständigen Tätigkeiten bestand, so dass er als bloßer juristischer Hilfsarbeiter anzusehen sei, dessen Verschulden dem Prozessbevollmächtigten und der Partei ebenso wenig zugerechnet werden könne wie das von Büropersonal. Wo die Grenze zwischen selbstständiger, eigenverantwortlicher Bearbeitung und lediglich untergeordneter Hilfstätigkeit zu ziehen ist, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Jedoch treffe den Prozessbevollmächtigten ein eigenes Verschulden, weil er sich darauf beschränkt habe, seiAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 115
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