BRAK-Mitteilungen 2/2025

17.7.2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird. BGH, Urt. v. 27.11.2024 – VIII ZR 155/23, ZIP 2025, 325 In dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks i.S.d. § 298 III ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner. BGH, Urt. v. 27.11.2024 – VIII ZR 159/23, MDR 2025, 162 In den beiden Entscheidungen des VIII. Zivilsenats des BGH ging es um ähnliche Sachverhalte: In beiden Fällen wurden im Prozess (weitere) außerordentliche Kündigungen eines Mietvertrags im Schriftsatz erklärt. Die Schriftsätze waren jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen per beA ans Gericht übermittelt worden. In dem einen Fall druckte das Gericht den Schriftsatz aus und übersandte ihn in Papierform an den nicht anwaltlich vertretenen Beklagten. In dem anderen Fall wurde er elektronisch an den Beklagtenvertreter weitergeleitet. In beiden Fällen wurde die Wahrung der Schriftform in Abrede gestellt. Hierzu muss man sich zunächst einmal vor Augen halten, wie es sich mit der Verwendung des beA in Bezug auf materiell-rechtliche Erklärungen verhält. Mit der Einführung des beA gem. § 130a ZPO wurde zwar die Möglichkeit einer elektronischen Unterschrift geschaffen; diese betrifft indes nur die Schriftsätze an das Gericht. Eine wirksame Unterzeichnung des Schriftsatzes kann entweder mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) des Dokuments erfolgen oder mit einer fortgeschrittenen Signatur, die durch Verwendung der (einfachen) beA-Karte und Übermittlung aus dem eigenen Postfach des Rechtsanwalts erfolgt. Materiell-rechtliche Erklärungen, die der Schriftform bedürfen, können hingegen gem. § 126a BGB ausschließlich mittels einer qeS wirksam signiert werden. Über diesen Fallstrick kann man insb. stolpern, wenn schriftformgebundene Erklärungen in einem prozessualen Schriftsatz abgegeben werden: Hier reicht die einfache beA-Karte und Übermittlung aus dem eigenen beA nicht aus, sondern es muss zwingend qualifiziert signiert werden. In den beiden vom BGH entschiedenen Fällen war das nicht das Problem, die Schriftsätze waren jeweils mit einer qeS versehen. Die Wirksamkeit der Kündigungserklärungen wurde aber von den Empfängern angezweifelt, da es notwendig sei, dass der bei Gericht eingegangene Schriftsatz dem Kündigungsempfänger selbst in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugehe. Die Weiterleitung durch das Gericht an den Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten reiche für den damit erforderlichen Zugang des qualifiziert elektronisch signierten Dokuments selbst dann nicht aus, wenn der Schriftsatz seitens des Gerichts per beA zugestellt werde, weil die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht – wie gesetzlich gefordert – gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks bestehe. Bei der Weiterleitung in Papierform sei durch den mit dem Ausdruck verbundenen Medienbruch die elektronische Signatur zwangsläufig verloren gegangen. Auch der beigefügte mit ausgedruckte Transfervermerk ändere hieran nichts. In der Instanzrechtsprechung wurde diese Frage uneinheitlich beurteilt. Der BGH gibt jedoch den Kündigungsempfängern recht: Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung gem. § 126a I BGB sei es – nach der seinerzeitigen Gesetzeslage – erforderlich gewesen, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangte, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen konnte. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt gewesen, wenn der mit einer qeS versehene Schriftsatz vom Gericht unter Aufrechterhaltung der qeS elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wurde. Im Fall VIII ZR 159/23, der Weiterleitung in Papierform mit ausgedrucktem Transfervermerk, war eine solche Prüfung per se nicht möglich. Zudem sah der BGH bei der anwaltlich nicht vertretenen Naturalpartei keine Zustimmung i.S.d. § 173 IV 1 ZPO zu einer elektronischen Zustellung der Kündigung. Die Kündigungserklärung wurde folglich als unwirksam angesehen. Im Fall VIII ZR 155/23, dem per beA weitergeleiteten Schriftsatz, hatte das Berufungsgericht Feststellungen dazu, ob der elektronische Schriftsatz unter Aufrechterhaltung der gültigen qeS bei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten einging, nicht getroffen. Hier verwies der BGH zurück. Das Problem hat der Gesetzgeber allerdings zwischenzeitlich durch den mit Wirkung zum 17.7.2024 neu hinzugekommenen § 130e ZPO gelöst. Nur konnte dieser keine Rückwirkung entfalten, so dass er den beiden hiesigen Klägern nichts mehr nützte. § 130e ZPO soll nun Abhilfe in Bezug auf die Abgabe materiell-rechtlicher Erklärungen über das beA schaffen. Er bringt hierfür eine echte Neuerung: „Ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedarf, klar erkennbar in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten, der als elektronisches Dokument nach § 130a bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, so gilt die Willenserklärung als in schriftlicher oder elektronischer Form zugegangen.“ Die Art der Weiterleitung spielt damit jetzt keine Rolle mehr. JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 AUFSÄTZE 114

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