BRAK-Mitteilungen 2/2025

DER BERUFSRECHTLICHE JAHRESÜBERBLICK EIN BLICK ZURÜCK AUF DIE BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG DES JAHRES 2024 RECHTSANWALT CHRISTIAN DAHNS* * Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin und Geschäftsführer der BRAK. Der Autor befasst sich in seinem Jahresrückblick mit den wichtigsten berufsrechtlichen Entscheidungen, die im Jahr 2024 in den BRAK-Mitteilungen veröffentlicht worden sind. Die Rechtsprechung zum Fachanwaltsrecht sowie zum Rechtsdienstleistungsgesetz wird wie gewohnt in eigenen Beiträgen gewürdigt. I. BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN 1. DER „FETTE ANWALT RUMPELSTILZCHEN“ Das BVerfG1 1 BRAK-Mitt. 2024, 101 ff. musste erneut klarstellen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Kampfes um das Recht im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen grundsätzlich erlaubt sein muss, auch besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen. Eine Anwältin hatte sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen ihre Verurteilung gewehrt, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite über die Inhalte einer nichtöffentlichen Sitzung eines Familiengerichts zu berichten, für die sie als Verfahrensbeistand zugelassen worden war, und einen darin auftretenden Anwalt als „fetten Anwalt“ sowie „Rumpelstilzchen“ zu bezeichnen. Aus Sicht des BVerfG reichte es nicht aus, dass das AG seine Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB allein darauf gestützt hat, die Bezeichnungen „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ seien „ein Werturteil, welches ehrverletztenden Charakter“ habe und das LG ausgeführt hat, dass das Verhalten der Anwältin den Berufskollegen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Bei ihren Entscheidungen haben die Ausgangsgerichte jede Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen vermissen lassen, die nur ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn sich eine Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne, als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung darstellt. 2. EINE EHER UNGEWÖHNLICHE MANDATSAKQUISE Soweit § 43b BRAO eine auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete Werbung eines Rechtsanwalts für generell unzulässig erachtet, ist dieses apodiktische Verbot spätestens seit einer Entscheidung des BGH2 2 BRAK-Mitt. 2018, 256 ff. m. Anm. Huff. aus dem Jahr 2018 längst überholt. Das OLG Dresden3 3 BRAK-Mitt. 2024, 113 ff. rief dies erneut in Erinnerung. Wenn ein Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs persönlich anschreibt und seine Dienste anbietet, liegt ein Verstoß jedenfalls dann nicht vor, wenn der Adressat durch das Schreiben weder belästigt, genötigt oder überrumpelt wird noch seine Interessen beeinträchtigt sind, weil er sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung hilfreich sein kann. In diesem Fall hatte ein Rechtsanwalt ihm aus einem anderen Mandat bekannte Kontaktdaten von Gläubigern einer insolventen GmbH genutzt, um diese mit einem Schreiben auf Rechtsschutzmöglichkeiten hinzuweisen. Das OLG Dresden erachtete dieses Schreiben in seiner konkreten Ausgestaltung als Werbemaßnahme auch nach der DSGVO für zulässig. Erfolgt wie in diesem Fall die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, ergibt sich aus Art. 6 IV DSGVO i.V.m. dem 50. Erwägungsgrund zur DSGVO, dass eine Verarbeitung zulässig ist, wenn sie auf dem Recht eines Mitgliedstaats beruht und eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz eines der in Art. 23 I DSGVO genannten Ziele darstellt. Mit der Verarbeitung seiner durch eine Akteneinsicht gewonnenen Namensund Adressdaten für seine Schreiben verfolgte der Anwalt keine verfahrensfremden Zwecke, da sein Schreiben auch darauf abzielte, Gläubigerinteressen gegen die insolvente GmbH durchzusetzen und betroffene Anleger vor einem kompletten Forderungsausfall zu schützen. 3. MIT DEM BERUFSRECHT KOLLIDIERENDER DATENAUSKUNFTSANSPRUCH Das LG Bonn4 4 BRAK-Mitt. 2024, 117 ff. mit Anm. Schulz. hatte sich mit dem für die Anwaltschaft nicht unproblematischen Verhältnis des auf die Handakten gerichteten Herausgabeanspruchs nach § 50 II BRAO mit dem datenschutzrechtlichen Auskunfts- und Kopieanspruch nach Art. 15 I und III DSGVO zu befassen. Es kam zu dem Ergebnis, dass einem Mandanten ein Anspruch auf Datenauskunft gegen seinen Rechtsanwalt gem. Art. 15 I und III DSGVO selbst nach Verjährung des nationalen Auskunftsanspruchs zustehen muss. Ein Mandant hat gegenüber seinem Rechtsanwalt einen Anspruch darauf, dass ihm eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller personenbezogenen Daten überlassen wird. Dies umfasst auch eine kostenlose Kopie der Handakte sowie der sonstigen im Zusammenhang mit seiner Person gespeichertenDaten. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch kollidiert mit der berufsrechtlichen Vorschrift des § 50 III BRAO. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 107

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