BRAK-Mitteilungen 2/2025

Hat eine Partei einen (förmlichen) Antrag auf Vorlage an den EuGH gestellt, ist das angerufene Gericht dem aber nicht nachgekommen, muss es unter Beachtung der vom EuGH konkretisierten Gründe angeben, weshalb dies ausnahmsweise nicht notwendig gewesen ist. Das führt dazu, dass in einer unterbliebenen oder fehlerhaften Begründung auch ein Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG liegt. In jedem Verfahren mit unionsrechtlichen Vorgaben werden Anwältinnen und Anwälte im Hinblick auf Haftungsfragen einen ausführlich begründeten Vorlageantrag stellen und diesen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung machen müssen, wenn und weil die Nichtvorlage an den EuGH – so das LG Stuttgart – eine „strukturelle Befangenheit“ des angerufenen Gerichts verdeutlicht, das sich anmaße, letztverbindlich europäische Rechtsvorschriften auszulegen. In der Konsequenz besteht damit bei einer entsprechenden Erklärung des Gerichts eine (zwingende) anwaltliche Verpflichtung zur Stellung eines Befangenheitsantrags, was allerdings kaum rechtlich gewollt sein kann. Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn Gerichte die Nichtvorlage (vermeintlich) nicht hinreichend begründen. Dann stellt sich die besonders haftungsträchtige Frage, ob dagegen binnen einer Notfrist von zwei Wochen (zunächst) Anhörungsrüge zu erheben oder nur die Verfassungsbeschwerde innerhalb eines Monats zu erheben und zu begründen ist, weil diese allein der richtige Rechtsbehelf ist. Zwar gehört auch die Anhörungsrüge zum grundsätzlich auszuschöpfenden Rechtsweg; sie hält aber die Monatsfrist für die Verfassungsbeschwerde in Fällen der „offensichtlichen Unzulässigkeit“ nicht offen. Evidente Unzulässigkeit hat das BVerfG allerdings nachträglich auch in Fällen angenommen, in denen das angerufene Gericht zur Anhörungsrüge eine Sachentscheidung getroffen hat. Deshalb besteht (stets?) die Gefahr, dass nachträglich entgegengehalten werden kann, der richtige Rechtsbehelf sei die Verfassungsbeschwerde gewesen. Im Ergebnis geht auch diese Unklarheit zu Lasten der Parteien, die trotz der komplexen rechtlichen Fragen und der damit verbundenen Haftungsrisiken Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte suchen müssen, die innerhalb der kurzen Fristen bereit (und fachlich in der Lage) sind, ein solches Mandat überhaupt auszuführen. Wer den Auftrag dennoch annimmt, sollte wissen, worauf er sich einlässt! MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN UND FACHANWALTSCHAFTEN ZUM 1.1.2025 RECHTSANWÄLTIN JENNIFER WITTE* * Die Autorin ist Referentin bei der BRAK in Berlin und u.a. für Statistik und das anwaltliche Vergütungsrecht zuständig. Seit 2008 veröffentlicht die BRAK jährlich Statistiken zur Anwaltschaft in Deutschland. Die zugrundeliegenden Zahlen erhebt sie bei den Rechtsanwaltskammern. Nachfolgend wird die Entwicklung der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern sowie der Fachanwaltschaften zum 1.1.2025 im Überblick dargestellt. I. MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN Die 28 Rechtsanwaltskammern verzeichneten zum Stichtag 1.1.2025 insgesamt 172.084 Mitglieder. Die Mitglieder setzen sich zusammen aus den zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, den zugelassenen Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälten und der in Doppelzulassung zugelassenen Syndizi und Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte nach § 60 II Nr. 1 BRAO; dazu zählen auch die niedergelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach § 2 EuRAG und § 206 BRAO. Mitglieder sind außerdem die zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften nach § 60 II Nr. 2 BRAO sowie nach § 60 II Nr. 3 BRAO die nichtanwaltlichen Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane von Berufsausübungsgesellschaften. Schließlich zählen zu den Mitgliedern die verkammerten Rechtsbeistände nach § 209 BRAO. Im Vergleich zum Vorjahr (172.514) verringerte sich die Gesamtzahl der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern somit um 430 Mitglieder. Dies entspricht einem Minus von0,25%. Dieser Rückgang der Gesamtmitgliederzahl ist im Wesentlichen auf 82,27 % weniger nichtanwaltliche Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Berufsausübungsgesellschaften (BAG) nach § 60 II Nr. 3 BRAO zurückzuführen. Hintergrund ist eine Gesetzesänderung: Am 1.1.2025 trat der neue § 60 III Nr. 3 lit. b BRAO in Kraft.1 1 Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der BundesnotarDanach sind Mitglieder der Patentanwaltskammer oder einer SteuerberaterkamWITTE, MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN UND FACHANWALTSCHAFTEN ZUM 1.1.2025 BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 AUFSÄTZE 102

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