BRAK-Mitteilungen 2/2025

und es erlöschen auch nicht die Erfüllungsansprüche. Der Vertragspartner kann das von ihm bereits Geleistete nicht zurückverlangen. Ihm steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags (sog. Nichterfüllungsschaden) zu, den er nach § 103 II 1 InsO zur Insolvenztabelle anmelden kann (vgl. §§ 87, 174 I 1 InsO). Nach Auflösung einer Berufsausübungsgesellschaft besteht somit in aller Regel kein Bedarf mehr für die Bestellung eines Abwicklers. Ein großes praktisches Problem für die Rechtsanwaltskammer stellt in diesem Zusammenhang die Entwicklung mancher Berufsausübungsgesellschaften hin zu sog. Legal Tech-Kanzleien dar. Wenn der einzige geschäftsführende Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft plötzlich verstirbt und ca. 4.000 offene (größtenteils gerichtliche) Mandate hinterlässt, wird es für eine Rechtsanwaltskammer so gut wie unmöglich, eine Kollegin oder einen Kollegen zu finden, der diese Mandate als Amtsvertretung oder Abwicklung übernimmt. Eine natürliche Person wird die Anzahl der Mandate ohne genaue Kenntnis der Geschäftsabläufe und Prozesse schlicht nicht übernehmen können und insb. auch nicht wollen. Es wird daher in der Praxis immer wieder die Fälle geben, dass eine Rechtsanwaltskammer schon deswegen keine Abwicklung oder Amtsvertretung bestellen wird, weil sie keine geeignete Person findet. Da die Rechtsanwaltskammern nach § 59h VI i.V.m. §§ 55 III 1, 54 IV 4 BRAO für eine festgesetzte Vergütung wie ein Bürge haften können, stellen u.a. diese Fälle auch ein unkalkulierbares finanzielles Risiko für die Haushalte der Rechtsanwaltskammern dar. VIII. DOPPELSTÖCKIGE BERUFSAUSÜBUNGSGESELLSCHAFTEN Nach dem neuen § 59i BRAO können zugelassene Berufsausübungsgesellschaften seit 1.8.2022 Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft sein. Bei den gesetzlichen Voraussetzungen, die in der Person der Gesellschafter oder der Mitglieder der Geschäftsführung erfüllt sein müssen, kommt es dann auf die Gesellschafter und die Geschäftsführung der beteiligten Berufsausübungsgesellschaft an. Der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen befasste sich mit der Frage, ob sich eine Steuerberatungsgesellschaft als bei einer Steuerberaterkammer anerkannte Berufsausübungsgesellschaft i.S.d. §§ 49 ff. StBerG als Gesellschafterin an einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft beteiligen darf.15 15 AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.6.2024 – 1 AGH 9/24, BRAK-Mitt. 2024, 307. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hatte einen Antrag auf Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft zuvor abgelehnt: Zwar sei nach § 59i I 1 BRAO eine sog. Doppelstöckigkeit einer Gesellschaft unter der Beteiligung von „zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften“ als Gesellschafterinnen grundsätzlich möglich. Ausweislich des Wortlauts von § 59i I 1 BRAO bleibe aber für eine Steuerberatungs-Berufsausübungsgesellschaft als beteiligte Gesellschafterin an einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft kein Raum, da diese nicht unter die in § 59f BRAO wörtlich genannten zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften fällt. § 59i I 1 BRAO umfasse gerade keine anerkannten Berufsausübungsgesellschaften nach dem StBerG oder der WPO. Hiergegen hat die Berufsausübungsgesellschaft Klage erhoben. Der AGH folgte in diesem Verfahren der Argumentation der Kammer und wies die Klage ab. Einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG oder den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG sah der AGH ebenso wenig wie eine Unvereinbarkeit mit der europarechtlich garantierten Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs sowie der Dienstleistungsrichtlinie. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die durch den AGH NRW zugelassene Berufung wurde zwischenzeitlich durch die Klägerin eingelegt (AnwZ (Brfg) 36/ 24). Der Argumentation der Rechtsanwaltskammer wurde mittlerweile durch das Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der Bundesnotarordnung, der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz sowie zur Änderung weiterer Vorschriften16 16 BGBl. 2024 I Nr. 320 v. 25.10.2024. zum 1.1.2025 durch den Wortlaut „Zugelassene Berufsausübungsgesellschaften nach diesem Gesetz“ in § 59i I 1 BRAO Nachdruck verliehen. IX. ANFORDERUNGEN AN GESCHÄFTSFÜHRUNGS- UND AUFSICHTSORGANE § 59j BRAO regelt die Anforderungen an die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane. § 59j I 1 BRAO stellt einen Gleichlauf mit den zulässigen Berufen der Gesellschafterinnen und Gesellschafter her, da nur Angehörige der in § 59c I 1 BRAO genannten Berufe Mitglieder des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft sein können (insofern s. bereits unter III). Neben der Prüfung des Berufs der einzelnen Personen der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane ist § 59j II BRAO im Zulassungsverfahren der Berufsausübungsgesellschaft ein maßgeblicher Prüfungspunkt: Von der Mitgliedschaft in einem Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgan ist ausgeschlossen, wer einen der Versagungstatbestände des § 7 erfüllt oder gegen wen eine der in Abs. 5 S. 3 genannten Maßnahmen verhängt wurde. Diese Regelung des § 59j II BRAO ist in vielfacher Hinsicht interessant. KOLB/SCHMELCHER/HORLBECK, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN UND PROBLEMSTELLUNGEN IM ANWALTLICHEN GESELLSCHAFTSRECHT BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 AUFSÄTZE 94

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